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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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hatte, als dieser gekommen war, um die Frohe Botschaft zu verkünden.
    Meine Heilige Schrift lag an ihrem gewohnten Ort. Ich griff danach und schlug die Stelle über Zacharias auf.
    Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört worden; dein Weib wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Johannes geben.
    Und Zacharias sprach zu dem Engel: Woran soll ich dies erkennen? Ich bin ein alter Mann, und mein Weib ist hochbejahrt.
    Und der Engel antwortete ihm und sprach: Ich bin Gabriel, der an der Seite Gottes steht.
    Und sieh, du sollst stumm sein und nicht sprechen bis zu dem Tag, da dieses eintrifft, weil du meinen Worten nicht glaubst, die sich erfüllen sollen, noch ehe das Jahr sich wendet.
    Hatte denn auch ich einen Boten oder ein Zeichen empfangen und ihm keinen Glauben geschenkt?
    Nein. Da war kein Zeichen gewesen, keine Botschaft. Dessen war ich sicher. Ein Gespräch mit Gott oder seinem Engel wäre mir willkommen gewesen. Mein Leben lang hatte ich darauf gewartet. Aber Er hatte niemals unmittelbar zu mir gesprochen.
    Die Tür öffnete sich knarrend. Jemand kam, nach dem königlichen Patienten zu sehen. Ich winkte ihn herzu. Es war ein Page. Ich machte die Gebärde des Schreibens.
    Der Bursche schien vor Schrecken wie von Sinnen zu sein. Vielleicht hatten sie doch erwartet, dass ich sterben würde.
    Dr. Butts trat ein; seine Miene war würdevoll und neugierig zugleich. Er trug seine lederne Tasche bei sich; sie war voll gestopft mit Tränken und Flaschen. Er ließ sich neben meinem reichlich ausstaffierten Krankenbett auf einer Fußbank nieder und berührte meine Lider. Dann tastete er an meinem Hals entlang. Er schlug Decken und Nachthemd beiseite und beugte den Kopf über meine Brust; dabei winkte er allen, still zu sein, damit er meinen Herzschlag abhören könnte. Zufrieden stellte er den vorigen Zustand meiner Bedeckung wieder her und wandte sich meinem Bein zu, um es zu untersuchen.
    Als er den Kräuterverband abgenommen hatte, sah ich voller Staunen, dass an dem alten Leidensfleck auf meinem Schenkel eine große runde Wunde schwärte, tiefer und hässlicher, als ich sie je zuvor gesehen hatte. Eine kleine tönerne Schale, die darunter gebunden war, hatte sich mit fauligen Sekreten aus dem Geschwür gefüllt. Dr. Butts nahm sie mit geschickten Fingern fort und brachte eine neue an.
    »Das Geschwür hatte sich geschlossen«, sagte er so langsam, als spreche er zu einem Kind oder einem Schwachkopf. »Euer Leben war in Gefahr. Es ist jetzt drei Tage her, dass ich den Abszess aufgestochen habe, damit er austrocknen kann. Dreizehn Schalen haben sich inzwischen mit diesem Ausfluss gefüllt. Es scheint, er hat sich nun erschöpft. Dank sei Gott! Es hatte sich in Euren Körper zurückgezogen und wirkte dort wie ein Gift.«
    Er sah mich an, und seine hellen Augen versuchten, einen Funken der Antwort in meinem Blick zu entdecken.
    »Er hat nach Papier und Feder gewinkt«, erinnerte ihn der Page.
    »Ein gutes Zeichen!«, sagte Dr. Butts. »Ich bitte Euch, holt die Sachen.«
    Als ich die Feder in der Hand hielt, schrieb ich: Seit wann liege ich so? Wann werde ich wieder gesund? Warum kann ich nicht sprechen? Die furchtbarste Frage stellte ich an den Schluss, als könnte ich ihre Macht und Bedeutung so vermindern.
    Dr. Butts nickte, erfreut über meine Leistung. »Ihr liegt so seit dem letzten Mittwoch«, antwortete er laut. Hielt er mich auch für taub? »Wenn die Besserung weiter so fortschreitet, würde ich sagen, in zwei Wochen haben wir Euch wieder auf den Beinen. Was Eure Sprache betrifft« – er schüttelte den Kopf –, »da bin ich ratlos. Ich verstehe nicht, warum sie nicht zurückkehrt. Vielleicht sind die bösartigen Säfte aus Eurem Bein in Eure Kehle hinaufgestiegen.«
    Er sah, dass ich die Stirn runzelte. »Aber jetzt, da das Bein offen ist und ausfließen kann, werden die Gifte aus Eurem Organismus rinnen und Eure Kehle verlassen.« Er hielt inne und fügte dann hinzu: »So Gott will.«
    Also erkannte auch er den Verlust meiner Stimme als ein göttliches Zeichen. Hinter all seinem geschmeidigen Medizinergerede kannte er die Wahrheit wohl. Nur Gott entschied, wann ein solches Mal von einem Menschen genommen wurde.
    O Vater, o Sohn, o Heiliger Geist – wodurch hatte ich Anstoß erregt, worin war ich gescheitert? Hätte ich meinen Frevel wenigstens gekannt, ich hätte ihn zurücknehmen können. Aber ich wusste nichts.
    Es war aussichtslos, auch nur zu versuchen, durch den

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