Ich, Heinrich VIII.
von rauschendem Met
Und Wein, hoch auf der Bank
Mit Königen, schlürf Molke ich
In einem Nest von Hexen.
Gott, erbarme dich!
Vorbei! Ich kann nicht wieder
Das Meer der Jugend befahren.
Die Tage meiner Schönheit:
Verflogen! Und Wünsche sind erloschen!
Ich hör der Welle schrillen Schrei,
Gepeitscht vom Winterwind.
Und keiner will mich mehr besuchen,
Kein Edler und kein Hahnrei.
Flut
Und Ebbe dann, versickernd im Sand!
Was die Flut ans Land spült,
Reißt die Ebbe dir aus der Hand.
Flut
Und dann versickernde Ebbe!
Beides hab ich gekannt,
Als sie den Leib mir überspülten.
Der Mensch ist von allen
Geschöpfen das erbärmlichste –
Sein anflutender Stolz wird nur erkannt,
Doch niemals sein Gegenteil je.
Kaum eine Wohnstatt hab ich
Heut auf dieser Erde.
Wo einmal des Lebens Flut gewesen,
Ist alles verebbt.
Seine Stimme schwebte empor, getragen von dem süßen Harfenklang. Mir war elend zumute. Diese grausame Auswahl, die das Schreckliche feierte: die vergänglichen, trügerischen Aspekte von Mann und Frau – geschah das mit Absicht? Welcher Narr erwählte ein solches Lied, um seinen kranken König aufzuheitern? Es musste unbeabsichtigt geschehen sein und folglich ein missratenes Kompliment enthalten: Ein solches Lied sang man nur einem jungen und gesunden Menschen vor.
Gleichwohl hatte ich das Gefühl, mein Abendessen liege mir im Magen wie ein Pfingstkarpfen, den Bauch nach oben gekehrt. Ich winkte ihm, sich zurückzuziehen. Enttäuscht runzelte er die Stirn. Oh, der Bursche hatte am Hofe noch viel zu lernen. Es war nur gut, dass er gekommen war.
Als ich allein war, ließ ich mich zurücksinken und atmete den Duft des Apfelbaumholzes ein. Aber ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund. »Grausam«, murmelte ich, doch es kam kein Laut über meine Lippen. Weiter warten. Nun, es war Gottes Wille, dass ich Geduld und Gehorsam lernte … und Sein Geheimnis annahm. Fröstelnd zog ich den Fuchspelzkragen fester um mich. Es war eine kalte, öde Wacht, die ich da halten musste. Und wo war Catherine?
Wenn man nichts weiter tun kann, als im Bett zu liegen, verliert man rasch den normalen Tagesrhythmus, der das Alltagsleben beherrscht. Es liegt eine große Weisheit in der ordentlichen Einteilung der Stunden und im täglichen Wechsel von Hell und Dunkel. Ein Kranker vermag diese Einheiten nach seinem Belieben neu zu ordnen, wie ein Kind, das mit Bauklötzen spielt, und bald hat er alles durcheinander gewürfelt.
So lag ich die halbe Nacht hindurch wach, weil ich tagsüber nichts zu tun hatte, was mich angestrengt und ermüdet hätte. »Christus betete die ganze Nacht«, heißt es in der Bibel; ich versuchte es auch, versank aber in jenen gespenstischen Schwebezustand des Bewusstseins, der an Entrückung grenzte, und kommunizierte mit dem Heiligen Geist, und dann erwachte ich – oder stieg wieder in die volle Höhe des Bewusstseins hinauf –, als es sich im Nachbarzimmer frühmorgens zu regen begann. Wenn Culpepper mit meiner frisch gewärmten Bettjacke erschienen war und der strahlende junge Scarisbrick grinsend mit einem Tablett voller Frühstücksspeisen an mein Bett trat, dann war ich bereits schläfrig – erschöpft von meinem nächtlichen Ringkampf mit dem Engel, sozusagen. Wenn das Blut der anderen Menschen in Bewegung geriet, kam das meine zur Ruhe. Ein verfluchtes Leben, das eines Kranken! Kein Wunder, dass sie nie genesen.
Culpepper war beschäftigt und geistesabwesend. Er brachte mir meine Kleider, kümmerte sich um alles, was ich brauchte, aber er wirkte flüchtig und zerstreut. Einmal brachte er mir eine zierlich geprägte Ledermappe für die gesamte Korrespondenz von unseren Gesandten im Ausland, mit wundervollen Taschen und Klappen und einem besonderen Behältnis für Siegellack und für das Königliche Siegel versehen. Er hatte sie entworfen und in Auftrag gegeben.
Ich ergriff seinen Arm und nickte zum Dank. Diese Stummheit war mir verhasst. Auch wenn ich wusste, dass sie vorübergehend war – vorübergehend sein musste!
Catherine kam gleich nach der Messe, die sie jeden Tag um acht besuchte. Sie hatte eine fromme Seele, was sie – wie die meisten körperlich anziehenden Menschen – zu verbergen suchte, als wäre es eine Schande oder als könnte es die Welt veranlassen, sie mit anderen Augen zu sehen. Bei der Jugend ist so etwas von höchster Bedeutung.
Aber wenn sie zu mir kam, gleich nachdem sie ihren Schöpfer empfangen hatte, leuchtete sie von einer Schönheit
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