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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Warwickshire und Northamptonshire von einer Dürre heimgesucht, und gewisse Priester wollten »Marienprozessionen« veranstalten, wie sie es in vergangenen Zeiten getan hatten, und die Heilige Jungfrau um Hilfe bitten. Sollte ich es ihnen verbieten oder nicht? Waren sie Papisten oder nicht? Cranmer und ich berieten uns und kamen zu der Entscheidung, dass eine Prozession zu Ehren Marias erlaubt werden könne, im Namen irgendeines anderen Heiligen hingegen nicht. Schließlich hatte Christus selbst ja Maria vom Kreuze aus erhöht.
    »Und Euer Allgemeines Gebetbuch? Macht es Fortschritte?«, fragte ich ihn. Er arbeitete schon so lange daran.
    »Es geht voran. Es geht voran. Und Eure Gebetsfibel?«
    Ich hatte mich darangegeben, Gebete zu verfassen, die in der Volkssprache – oder, wenn man gewandter darin war, auf Lateinisch – gesprochen werden konnten; ich wollte es mit meinem eigenen Imprimatur, meinem eigenen Nihil Obstat, versehen herausbringen, wie Rom es sonst immer getan hatte. Um die Wahrheit zu sagen, ich war sehr zufrieden mit meinem kleinen Buch.
    »Es ist fast fertig«, sagte ich. »Ich denke, nächstes Jahr kann es gedruckt werden.«
    Cranmer schüttelte den Kopf. »Euer Fleiß und Eure Geschwindigkeit sind wahrhaft eine Gabe. Ich beneide Euch darum.«
    »Wie ich Euch um die Euren beneide, Thomas.« Das stimmte. Denn solche Wortgewandtheit und Herzensreinheit traf man nur selten an.
    Andere beneideten Cranmer nicht um solche Begabungen, sondern um seine Freundschaft mit mir. Sie versuchten, ihn zu stürzen, aus purer Bosheit und Schlechtigkeit. Wieder andere hielten ihn für eine Gefahr, für einen Laufsteg, der zum offenen Protestantismus führte, und sie glaubten, sie brauchten nur diese Planke ins Meer zu werfen, und kein Radikaler werde jemals das sichere Schiff Englands betreten. Aber Cranmer, der eine so naive Auffassung von der Erbsünde in der menschlichen Natur hatte (wenngleich er sie in seinem Allgemeinen Gebetbuch poetisch beschrieb), kam es nie in den Sinn, vor seinen Feinden auf der Hut zu sein – ja, er gestand nicht einmal ein, dass er überhaupt Feinde hatte.
    »Ich habe nur einen Garten zu versorgen, nämlich die Kirche. Ihr aber habt viele. Wie könnt Ihr den bevorstehenden Krieg mit den Franzosen im Auge behalten und gleichzeitig Gebetbücher und erzieherische Schriften verfassen?«
    Er meinte mein ABC , wie dargetan von Seiner Königlichen Majestät, ein kleines Buch zum Lesenlernen, das ich geschrieben hatte.
    Ich konnte ihm keine ehrliche Antwort geben, denn ich wusste auch nicht, wie ich es vermochte, an viele Dinge gleichzeitig zu denken und ihnen meine Aufmerksamkeit zu widmen. Nur, dass eines immer an die Stelle des anderen trat: Während ich an den englischen Gebeten arbeitete, dachte ich nicht über die Frage nach, wie viele Zelte für einen Europafeldzug notwendig sein würden. »Ich weiß es nicht«, gab ich zu. »Aber es ist ein Glück, dass ich es kann, denn sonst brauchte England wohl sechs Könige.«
    Sechs Könige. Ein Rat der Könige. Das war es, worüber ich gezwungenermaßen nachzudenken hatte, da Edward noch minderjährig war. Der angstvolle Schreck, den Elisabeth mir hatte in die Glieder fahren lassen, hatte mich genötigt, der Sorge, die mich schon seit einer Weile belauerte, ins Antlitz zu schauen: Würde ich bis 1555 am Leben bleiben, bis Edward achtzehn Jahre alt wäre, so alt, wie ich gewesen war, als ich König geworden war? Er war jetzt erst fünf. Und Maria und Elisabeth waren große, fest verwurzelte Pflanzen, die meinen Edward bedrohten. Maria war eine erwachsene Frau, und in katholischen Kreisen hatte sie noch einige Geltung, auch wenn sie sich mir formell unterworfen hatte. Elisabeth war offensichtlich gewitzt und überzeugend; womöglich hegte sie selbst einen heimlichen Ehrgeiz. Edward war nicht sicher. Nein, er war nicht sicher.
    Ich musste ihn beschützen, musste sicherstellen, dass er auch in meiner Abwesenheit ungestört zur Reife heranwachsen konnte. Es war nicht zu bestreiten, dass die »neuen Menschen«, die gelehrten und diensteifrigen Herren, die ich mit Ehren und Titeln versehen hatte, zum Protestantismus neigten. Jedenfalls würde Edward die neue Art, die »neue Lehre«, verstehen müssen, wenn er mit diesen Männern umgehen sollte. Und so ernannte ich einigermaßen widerwillig, aber resigniert, Dr. Richard Cox und John Cheke – humanistische Gelehrte – zu seinen Lehrern.
    Insgeheim begann ich überdies, eine Liste derer zu entwerfen,

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