Ich, Heinrich VIII.
will«, erinnerte ich ihn. »Wenn Ihr etwas anderes glaubt, verdient Ihr den Spitznamen ›der törichtste stolze Knabe, den es in England gibt‹.«
Der Geruch des Blutes, des frischen Blutes, noch warm von Howards Körper, eben ausgesaugt, jetzt glitzernd auf dem Tisch … der Geruch war stechend, faulig … wo blieb nur der Diener? Mir wurde schlecht. Und dann sah ich: die Stelle an Howards Hals, wo das Tier sich festgesaugt hatte. Es blutete noch; ein dicker, runder Blutstropfen hatte sich dort gesammelt, würde gleich herabfallen …
Wie viel Blut war in ihm? Wie viele Zecken wären nötig, um alles auszusaugen? Wenn er mit Zecken bedeckt wäre, wurde das genügen? Blut, Blut. Es gab Leute, die behaupteten, ich »schwelgte in Blut« und sei »blutdürstig«. Sie konnten nicht wissen, wie sehr ich Blut hasste, wie ich seinen Geruch und seine Farbe verabscheute.
Außerhalb der laubschattigen Galerie wehte ein kühler Wind. Aber hier drinnen, für mich, fing er wieder an, der Blutspuk. Die Erdbeeren vor mir – rot quoll es aus all ihren Poren, rot klebte es an meinen Fingern … Ich kämpfte die Panik nieder.
»Die Ehre bestimmt mein Schlachtfeld!«, beharrte Howard. Er bewegte sich beim Sprechen, ja, er erbebte, und der Tropfen fiel geradewegs auf sein weißleinenes Sommerhemd und wurde zu einer hellroten Blüte.
»Dann folgt Eurem Vater nach Schottland und helft ihm im Herbst, wenn wir König Jamie verprügeln«, befahl ich. Eine solche Aufforderung von mir hatte als Befehl zu gelten.
Ein Diener mit einem rosenduftenden Tuch wischte das Blut auf. Das Würgen in meiner Kehle ließ nach; ich fühlte, wie es zurückwich wie das Meer bei Ebbe: Es verschwand erst aus meiner Kehle, dann aus meiner Brust, dann aus meinen Armen. Kraftlos sackte ich auf meinem Stuhl zusammen. Nach diesen Attacken fühlte ich mich immer schwach und ausgelaugt. Ich brauchte Wein.
Französischer Wein war nicht der einzige. Es gab auch deutschen, aus dem Rheintal. Ich verlangte welchen. Und jawohl, man brachte welchen, einen hübschen Kelch mit einer strohgelben Flüssigkeit von blumigem Geschmack.
»Lasst uns Wein aus den Weinbergen der Lady von Kleve trinken«, sagte ich. »Euer Angebot, englisches Wasser zu trinken, ist ja patriotisch, aber ich fürchte doch, Ihr könntet Durchfall davon bekommen.« Tatsächlich trank niemand Wasser, der noch ein Weilchen leben wollte.
Die Karaffen mit dem Rheinwein kreisten am Tisch, und bald hatte jeder sich einen Becher davon eingeschenkt, auch die Frauen.
Ein schönes Bild gaben sie alle ab, mit ihren Gesichtern im Schatten vor dem Hintergrund von hellgrünem Dunst und leichten Sommerkleidern in blumigen Farben. Frauen. Aber sie rührten mich nicht. Ich fühlte keine Sehnsucht nach ihnen, kein Verlangen. Unterhalb des Gürtels war ich Asche, im Herzen war ich taub, im Kopf verbittert. Wie töricht, dass ich mich je an sie verschwendet hatte; die bloße Erinnerung daran machte mir Abscheu gegen mich selbst. Ich wollte nicht weiter darüber nachsinnen, denn es war ein übler, hässlicher Gegenstand für mein Sinnen …
»Ein Rätsel! Ich weiß ein Rätsel!«, rief John Dudley.
Der Rheinwein tat seine Wirkung, wenn die Männer aufhörten, von Ehre zu sprechen, und anfingen, sich Rätsel aufzugeben.
»So sagt es schon«, drängte Anthony Denny.
Denny und Dudley waren so eng befreundet wie zwei Dotter in einem Ei; selbst ihre Ehefrauen trugen den gleichen Vornamen: Joan.
»Ich weiß ein Gefäß,
So rund wie ’ne Birne,
Und feucht in der Mitten.
Haar ringsum sprießt,
Und oft kommt es vor,
Dass Wasser dort fließt.«
Seine Stimme wurde schriller, je weiter er kam. Gekreisch begrüßte jeden Vers.
»Es kommt nicht aus Colchester?«, wieherte Tom Seymour.
»Austern haben keine Haare«, erwiderte Dudley. »Was könnte Euch sonst einfallen?«
»Ich weiß es«, brüstete sich Richard Richie. »Eine von Wolseys großen Kloaken unter Hampton Court. Sie ist rund – sie ist ein Gefäß – jedenfalls feucht in der Mitte – es fließt Wasser dort – und die langen Algen, die darin wachsen, sind wie Haare …«
»Es heißt aber nicht ›wie Haare‹. Es heißt, es hat Haare«, gab Dudley zu bedenken.
Weitere Vermutungen wurden laut, und sie forderten neue Kommentare heraus, wüste Analogien und dergleichen mehr. Das Letzte, woran ihnen lag, war, dass jemand die richtige Antwort offenbarte.
Aber die richtige Antwort war längst offenbar, denn es stimmt ja, stimmt vor allem, dass die Scham
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