Ich, Heinrich VIII.
Spott und Verachtung hervorrief. Der verhasste Sinclair war kein Soldat. Am Ufer des Solway, eines Flusses im Südwesten Schottlands, beschloss Jamie unvermittelt, seine Truppen zu verlassen; er erklärte, er werde bei Ebbe von Lachmaben aus nach England übersetzen. Damit Sinclair die Schlacht für sich allein hätte und sich so rehabilitieren könnte? Wer weiß, was er sich dabei dachte.
Am anderen Ufer des Solway hatte ich dreitausend hastig zusammengezogene Engländer unter dem Kommando des Vizegouverneurs der Grenzmark, Sir Wharton. Obwohl in der Minderzahl, führte Sir Wharton seine Männer kühn gegen die Schotten, zerstreute sie und trieb sie in den Sumpf, wo seine Soldaten sie mit Speer und Schwert zur Strecke brachten oder sie vom Morast aufsaugen oder vom Fluss verschlingen ließen. Zwölfhundert Mann wurden gefangen genommen, unter ihnen Oliver Sinclair. Die Grenzlandschotten – sie hatten den größten Teil der schottischen Streitmacht gebildet – fanden ein perverses Vergnügen darin, ihren König zu strafen, indem sie sich kampflos ergaben, und viele der Adeligen, die in unseren Gewahrsam gerieten, waren Protestanten. Das war ein großer Glücksfall.
Aber Gott hielt einen noch größeren für uns bereit. Als König Jamie von der Niederlage hörte, begann er förmlich zu welken. »Pfui – floh Oliver?«, rief er aus. »Ist er gefangen? Alles ist verloren!«
Er schmachtete in Schloss Falkland, wohin er sich niedergeschlagen und besiegt verkrochen hatte. Seine Frau war in den letzten Tagen der Schwangerschaft, aber das bot ihm keine Hoffnung. Seine Söhne waren gestorben, und jedes Kind, das in einer solchen Stunde auf die Welt käme, wäre von vornherein zum Untergang verurteilt.
So oder so, es war ein Mädchen. Als er von ihrer Geburt erfuhr, sagte er: »Kommt es noch einmal so? Die Stuarts begannen mit einem Mädchen, und sie enden mit einem Mädchen.« Er drehte das Gesicht zur Wand und sagte: »Der Teufel soll’s holen. Der Teufel soll’s holen.« Dann war er tot. Jamie war einunddreißig Jahre alt. Die Tochter, die er hinterließ, war eine Woche alt, und man taufte sie als seine Erbin auf den Namen Maria Stuart, Königin der Schotten.
CXVII
W as für ein Himmelsgeschenk! Welch ungewöhnlich glückliche Fügung! Ich konnte es kaum glauben – es sei denn, ich hätte endlich Gottes Gunst wiedergewonnen und sonnte mich in Seiner Gnade!
Schottland war mein, und das um den Preis eines Grenzscharmützels! Sir Wharton und seine dreitausend Mann, ohne hoch entwickelte Kriegsmaschinen, ohne viel Nachschub, hatten mir Schottland wie durch ein Gottesurteil in die Hände gelegt.
Ich war Herrscher über Schottland. Ich war der Großonkel der kleinen Königin. Ich würde sie mit Edward vermählen. Es war perfekt; es gehörte alles zu einem göttlichen Plan, das sah ich jetzt. Vorher war alles von Düsternis verhüllt gewesen, und ich war einhergetaumelt wie ein Mann im Nebel und hatte gleichwohl versucht, den Willen Gottes zu erkennen und ihm zu folgen, auch wenn meine Augen nichts hatten sehen können und ich auf die Anleitungen meines Gewissens angewiesen gewesen war. Jetzt hatte ich meinen Lohn; der Nebel war verweht, und ich hatte den rechten Kurs gesteuert. Ich sah mich an einem wundervollen Ort.
Schottland und England würden eins sein. Edward würde König von Großbritannien werden, Herrscher über Schottland, Irland, Wales und England. Ich, der ich als Kind noch vor rebellischen Corniern im Tower hatte Zuflucht suchen müssen – ich würde meinem Sohn einen Thron hinterlassen, der noch drei andere Reiche beherrschte. In einer Generation waren die Tudors von regionalen Königen zu mächtigen Herrschern geworden. Durch mich.
Schottland war mein! Schottland war mein! Ich würde ihm ein gütiger und sanfter Gemahl sein, wie ich auch meinen Frauen einer gewesen war. Ich würde es ehren und mit Achtung behandeln. Keine Misshandlung der Kriegsgefangenen und kein Frohlocken über König Jamies Tod (wenigstens nicht in der Öffentlichkeit). Stattdessen gab ich den zum Protestantismus neigenden Grenzland-Edlen, die wir gefangen genommen hatten, die Anweisung, nach ihrer Freilassung die Schotten des Hochlandes wie des Tieflandes zu »umwerben« und sie davon zu überzeugen, dass ihre Zukunft bei England lag. Sie sollten nach Edinburgh zurückkehren und dort als unsere Agenten tätig werden.
Was die unmündige Königin anging, so verfügte ich (als ihr Onkel und Vormund), dass wir zu Greenwich ein
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