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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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wusste ja nicht, dass wir separate Betten hatten, und mir war es nicht ratsam erschienen, ihn davon in Kenntnis zu setzen).
    Ich stieg aus dem Bett und blieb ein paar Augenblicke lang vor dem Fenster stehen. Die Sonne berührte eben die Wipfel der jungen Linden und ließ die ganze Allee grün erglühen. Dafür also hatte Sandys bei Hofe gedient, hierher hatte er zurückzukehren gehofft … Ja, es war friedlich hier.
    Ich hörte Hufschlag. Jemand kam die Allee heraufgeritten, und zwar in Eile. Es war niemand aus dem Dorfe, der den Hausherrn von einer bevorstehenden Zunftversammlung zu benachrichtigen hatte; es war jemand, der den König suchte und gefunden hatte, da seine Standarte draußen vor dem Tor aufgepflanzt war.
    Ich zog meine pelzgefütterte Robe an; ich wusste, ich würde sie brauchen. Dann schlüpfte ich hinaus, ohne Kate zu wecken, und begab mich hinunter auf die Treppe vor dem Haus. Der Kurier musste an dem Hauswächter vorbeigelangen, aber sein gerötetes, vom Wegesstaub bedecktes Gesicht ließ erkennen, dass es um eine dringliche Angelegenheit ging.
    »Eure Majestät.« Er schaute an dem Posten vorbei zu mir herauf; ich stand auf dem Treppenabsatz. »Dies soll ich in Eure Hände legen.« Er umklammerte ein Stück Pergament, eine Felddepesche. Die Franzosen waren in Kent gelandet. Ich wusste es.
    »Nehmt unseren Dank.« Ich ließ mir das Papier geben. Wie viele Feinde waren es, und hatten sie einen Brückenkopf bilden können?
    Es schmerzt mich, Euch mitzuteilen, dass der Herzog von Suffolk, nachdem er von einem Fieber niedergeworfen, gestern Abend um elf Uhr verstarb. Wir erwarten Eure Anweisungen, was das Begräbnis des Herzogs betrifft, da wir wissen, dass er Euch lieb und teuer gewesen.
    Unterschrieben war es von Nicholas St. John, dem Feldscher der kentischen Armee.
    Ich starrte auf das Papier. Die Worte schienen vor meinen Augen zu verschwimmen. Brandon, tot?
    »Er muss ein königliches Begräbnis bekommen«, sagte ich langsam. »Sagt in Kent, man soll ihn entsprechend vorbereiten. Wenn kein Geld dazu da ist, stellt Rechnung an die Königliche Privatschatulle. Ich will … ich will …« Gott, daran hatte ich nicht gedacht, hatte es nie in Betracht gezogen. »Ich will, dass er in Windsor bestattet wird, bei meiner Königin Jane, es sei denn, er hätte anderswo eine Familiengruft, der er den Vorzug gegeben hätte.«
    »Nein, Eure Majestät. Er hat nichts dergleichen geäußert. Der Tod hat ihn unverhofft ereilt.«
    Begegnete jemals einer dem Tod mit einer Kerze und einem Gedichtband in der Hand?
    »Und Kent?«, fragte ich. »Seid Ihr angegriffen worden?«
    »Nein. Es ist alles ruhig. Wir haben heute Morgen Euer Signalfeuer gesichtet.«
    »Es hat einen Angriff von See her gegeben, und sie sind auf der Insel Wight gelandet. Sie wollten Portsmouth nehmen, aber sie konnten es nicht. Wo sie jetzt sind, weiß ich nicht.« Während ich sprach, wuchs etwas Großes in meiner Brust heran, ein schwarzes Nichts.
    »Macht Euch auf!«, befahl ich. »Ihr habt meine Anweisungen. Führt sie gut aus.«
    Ich blieb allein in der Tür stehen. Ich war halb wach, halb schlief ich. Das alles, so schien mir, gehörte noch zur Nacht und zum Morgengrauen. Es war ein Traum im Erwachen.
    Ich hörte Geräusche im Westflügel – im äußersten rechten Teil des ›H‹. Köche hantierten dort, zündeten das Feuer im Küchenherd an. Ich wollte allein sein. Aber wo? Kate schlief in unserem Gemach, und schon regte sich die Dienerschaft.
    Die Kapelle. Gestern hatte der Kaufmann von der Kapelle gesprochen. Da hatte ich sie nicht sehen wollen, aber jetzt war sie meine einzige Zuflucht.
    Sie war leicht zu finden, denn sie lag auf der gegenüberliegenden Seite des ›H‹, und ich hatte von außen die bunten Glasfenster gesehen. Als ich den Weg in das kühle, matt erleuchtete Innere gefunden hatte, wusste ich, dass ich hier sicher war. Niemand würde den König beim Gebet stören. Ich kniete nieder und nahm die Haltung eines Betenden ein.
    Aber ich konnte nicht beten. Ich konnte nur daran denken, dass Brandon tot war, dass Brandon leblos dalag, und das war so undenkbar, dass ich es nicht begreifen konnte. Wir waren doch zusammen gewesen, wir waren fast gleich alt, er konnte doch nicht sterben, bevor ich …
    Die aufgehende Sonne erstrahlte in den Ostfenstern der Kapelle; sie wärmte und erleuchtete sie. In meiner Verwirrung betrachtete ich müßig das Glas. Es war feurig und rot. Die Bilder konnte ich nicht erkennen, noch konnte ich

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