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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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entgegen. Ich hatte geglaubt, Ruderbarken, die sowohl mit Segeln als auch mit Rudern ausgestattet waren, seien Schiffe für die Übergangszeit, die wir bald nicht mehr brauchen würden. Aber diese hier retteten den Tag und vollbrachten, was unsere großen Kriegsschiffe nicht vermochten: Sie jagten die Franzosen davon. Bald lag die französische Flotte außerhalb des Solent und wartete auf die nächste Gelegenheit zum Angriff.
    Es wurde Nacht, und die Kampfhandlungen hörten auf. Unsere Schiffe gingen im Solent vor Anker, und die Franzosen zogen sich hinter die Landzunge zurück und waren unsichtbar. Die Rettungsboote hatten fünfunddreißig Mann von der Mary Rose aufgenommen; sie waren ausnahmslos oben auf dem freien Toppdeck gewesen und ins Wasser geschleudert worden. Es waren fast alles Seeleute, ungebildete, abergläubische, harte Männer – unfähig, zu beschreiben, was ihnen und ihrem Schiff widerfahren war. Sie waren keine Hilfe bei der Rekonstruktion der Tragödie. Sir Gawen Carew, Georges Onkel, hatte die Mary Rose an Bord der Matthew Gonnson passiert, als sie zu kreuzen begonnen hatte; er behauptete, George habe ihm zugerufen: »Ich habe hier Kerle, die ich nicht im Zaum halten kann!« Hatten sie gemeutert?
    Fünfunddreißig von sechshundert. Ich saß in meinem Quartier in den granitenen Eingeweiden der Festung Southsea und dachte über diese Tatsache nach. Kate war bei mir; sie saß düster an meiner Seite und malte mit meinem Gehstock sinnlose Muster auf den Fußboden.
    »Sie werden in den frühen Morgenstunden zu landen versuchen«, sagte ich. »Auf der Insel Wight. Sie planen, dort ein Lager aufzuschlagen und dann Portsmouth zu erobern – als Vergeltung für Boulogne.«
    »Woher weißt du das?«
    Es lag auf der Hand. »Als alter Soldat weiß ich es einfach.«
    »Und du musst hier fünfundzwanzigtausend Mann Miliz führen, wenn sie landen?«
    »Ja.«
    »Sie sind nirgendwo sonst gelandet?«
    »Nein.« Die Signalfeuer waren nicht entzündet worden. Die Franzosen waren bisher nur in unserem Gebiet.
    »Also konzentrieren sie ihre Wut auf dich?«
    »Ja.« Und das war gut so. Ich machte mir Sorgen um Boulogne. Hatten sie die Stadt in Ruhe gelassen? Oder drangen sie auch auf sie ein? Und wenn ja, würden Henry Howard und seine Garnison sie halten können?
    »Das Schiff …«, begann sie zögernd.
    »Ist ein großer Verlust«, endete ich. Ich wollte darüber nicht sprechen, nicht einmal mit ihr.
    Fünf Uhr morgens. Ich hatte kaum geschlafen. Die Franzosen hatten den Fuß auf die Insel Wight gesetzt; ich fühlte es. Ich stieg auf die Spitze des Festungsturmes hinauf und versuchte, den Landungsplatz zu entdecken. Aber die Insel war zu groß, und wenn sie dort gelandet waren, dann wahrscheinlich auf der anderen Seite, wo man sie nicht sehen konnte.
    »Zündet die Signalfeuer an«, befahl ich einem Soldaten in der Aufwärmstube. »Hier sind wir jedenfalls angegriffen worden; die Küstenverteidigung muss alarmiert werden.«
    Wenn die Franzosen die Insel Wight eroberten, dann hatten sie eine sichere Basis für alle weiteren Angriffe. Die Insel ließ sich von Frankreich aus ebenso leicht mit Nachschub versorgen, wie ich Boulogne von England aus versorgen konnte. Besser sogar, denn die Insel war durch einen natürlichen Wassergraben geschützt und konnte so als befestigte französische Enklave dienen. Zur Zeit wurde sie kaum nennenswert verteidigt. Was ging dort vor sich?
    Die Franzosen waren tatsächlich gelandet, wie wir später erfuhren. Sie waren an Land gekommen, hatten gebrüllt und das Land zu Franzens Eigentum erklärt; sie hatten eine französische Fahne aufgestellt und waren fröhlich um sie herumgetanzt. Dann zogen sie plündernd und verwüstend über die Insel – Soldaten, die sich auf althergebrachte Weise ihren Lohn nahmen. Zu ihrem Pech hatte die Insel nur wenige Bewohner, die sie ausrauben und in Angst und Schrecken versetzen konnten. Enttäuscht kehrten sie in ihre Boote zurück. Es war nicht nötig, dass ich die Miliz gegen sie führte. Die Franzosen waren wieder abgezogen, noch ehe ich offiziell die Kunde von ihrer Landung erhielt.
    Wo waren sie jetzt? Lauerten sie immer noch draußen vor der Bucht. Da sollten sie bleiben, und meine Flotte ebenfalls. Der Weg nach Portsmouth war ihnen wirkungsvoll versperrt.
    »Kommt, Kate, meine Königin, wir müssen diesen Ort verlassen«, befahl ich meiner Frau. Mary Carew hatte die Nacht weinend und um sich schlagend verbracht, als man ihr gesagt hatte, dass ihr

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