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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Leichnam, die irdischen Überreste Charles Brandons, war ausgeweidet und zehn Tage lang in einem Kräutersud gebadet worden. Dann hatte man ihn in Wachstuch gewickelt und dann in Blei eingehüllt und in einen Sarg gelegt und diesen einfachen Sarg in einen zweiten gestellt. Den schmückte man mit Girlanden und Bändern. Brandon selbst sah ich nicht mehr, nur die formelle äußere Ausschmückung dessen, was einmal ein Mensch gewesen war.
    Aber hätte ich ihn sehen wollen, sein weißes Fleisch, die Lippen gespannt, die mächtige Brust eingesunken?
    Nach Thomas Howard, dem Herzog von Norfolk, war er der höchste Edelmann im Reich gewesen. Dazu hatte ich ihn gemacht; ich hatte den schlammbespritzten Waisenknaben zu mir genommen und erhöht. Ich hatte gut daran getan, denn er war dieses Ranges wohl würdig gewesen.
    Meine Schwester Maria hatte ihn geliebt.
    Jetzt hatte er eine andere Frau, die ihn betrauern würde. Aber würde sie das tun? Die Wahrheit ist, ich hatte ihn mehr geliebt.
    Brandon war tot.
    Dieser beharrliche Refrain ertönte immer öfter in mir. Das Gefühl kehrte schleichend zurück und wartete nur darauf, hinter seiner Barrikade hervorzubrechen.

    Die Ritter vom Hosenbandorden hielten ihre Feier für gewöhnlich in der Kapelle des hl. Georg in Windsor. Brandon sollte im Chor dieser Kapelle bestattet werden, nur wenige Schritt weit von Königin Jane entfernt. Alle fünfundzwanzig Ritter des Ordens hatten zugegen zu sein, mochten sie auch die vortrefflichsten Verteidiger des Reiches sein. Denn diesen einen Tag lang mussten wir auf alle Verteidigung verzichten und beten, dass Gott Wache stehen möchte, während wir Brandon die Ehre erwiesen.
    Ich war nach Windsor gezogen – obgleich mir die Wohnung dort nicht gefiel, da sie allzu eng mit meiner Trauer nach Janes Tod verbunden war –, um das Begräbnis zu beaufsichtigen. Ich wollte gern ein persönliches Denkmal schaffen, irgendetwas sagen. Ich versuchte, eine Elegie zu schreiben, doch die Verse wollten sich nicht einstellen. Ich versuchte, ein Gebet zu verfassen, aber es klang aufgeblasen. Es gab Worte, die ich gern gesagt hätte. Ich wusste, ich hatte sie fast schon einmal gehört, aber sie entglitten mir immer wieder. Und guter Boden. Ein unbeschwerter Sinn …
    Ja, ich hatte sie gelesen. Sie waren von Henry Howard, ein Teil eines Gedichtes. Ich schickte nach ihm.
    Es war der Abend vor der Bestattung, und ganz Windsor war in Trauer. Meine Gemächer waren schwarz verhangen, und es gab keine Musik. In der St.-Georgs-Kapelle stand Brandons Sarg auf einem Katafalk, und Kienspäne flackerten ringsherum. Später würde ich hinuntergehen und Wache halten, wie es einem Ritter des Hosenbandordens zukam. Aber jetzt hatte ich mich noch um das Gedicht zu kümmern.
    Howard erschien Schlag neun. Er war in Schwarz gekleidet; ich hatte befohlen, dass der ganze Hof in Trauer zu gehen habe.
    »Habt Ihr Eure Gedichte mitgebracht?«, fragte ich ihn.
    Er zeigte mir eine Mappe mit Papieren. »Alle, die ich hatte«, antwortete er. »Wie Ihr es gewünscht habt.«
    »Ich möchte bei der Beerdigung ein Gedicht vorlesen«, sagte ich. »Ich habe versucht, selbst eines zu schreiben, aber Schmerz und Erschöpfung, so fürchte ich, haben mir die Muse vertrieben. Doch ein Satz hallte mir immer wieder durch den Sinn, und ich glaube, er stammt von Euch. Und guter Boden. Ein unbeschwerter Sinn …«
    »Ja. Das ist von mir«, sagte er gleich. Er muss erfreut gewesen sein, aber, wie alle Künstler, verschmähte er es, sich dies anmerken zu lassen. »Hier ist das ganze Gedicht.« Er zog ein Blatt hervor und legte es mir neben meine Kerze.
    Ja! Genau das war es, was ich sagen wollte. Es drückte meine innersten Gefühle aus. »Das sind … das sind meine eigenen Worte«, erklärte ich staunend.
    Jetzt errötete er. »Der höchste Lohn, der einem Dichter zuteil werden kann. Wir sitzen in unserem Kämmerlein und dichten vor uns hin, aber wir glauben, dass jeder Mensch das Gleiche empfindet. Wir sind allein und doch vereint mit jedem Menschen – wenn wir etwas taugen. Taugen wir nichts, so sind wir auch mit nichts und niemandem vereint. Das Erschreckende ist, dass man dort in seinem Kämmerlein nicht weiß, zu welcher Kategorie man zählt. So muss man Vertrauen haben.«
    »Ja, ja.« Ich wollte nicht, dass er sich allzu geschmeichelt fühlte. »Es missfällt mir, mich mit fremden Federn zu schmücken, aber ich habe keine Wahl. Eigene Worte wollen mir nicht einfallen, und Eure sind schon

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