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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Gemahl nicht unter den fünfunddreißig Geretteten gewesen war. Ich gab die Anweisung, sie mit mir zusammen nach London zurückkehren zu lassen und in Dr. Butts Obhut zu geben. »Wir müssen diesen Ort des Todes verlassen.«
    Die Luft war heiß und stickig. Ein klebriger Salzwind regte sich, als wir uns über die Festungszufahrt auf den von Wagengleisen zerfurchten Fahrweg begaben, der London Road hieß – aber nur, weil er nach London führte. Eine Straße war es nämlich nicht. So zogen wir in lang gestreckter Reihe dahin, wie in alter Zeit die Pilger auf schlammigem Pfad nach Canterbury gewallfahrtet waren.

CXXVII
    E s war ein drückender, heißer Tag. In Gedanken war ich mit den Franzosen und dem Verlust der Mary Rose beschäftigt. Ich sah nicht die hübschen Kletterrosen an den Zäunen, an denen wir vorüberkamen (aber wenn ich sie nicht sah, wie kann ich dann hier darüber berichten?), noch bemerkte ich die tanzenden Locken der Dorfkinder. Ich brannte darauf, zu erfahren, was sich anderswo an der Küste abgespielt haben mochte und ob die Franzosen etwa doch irgendwo hatten landen können.
    Am späten Nachmittag waren wir in der Nähe von Basingstoke, und ich beschloss, dort Rast zu machen. Ich war seit dem Morgengrauen auf den Beinen, und in der Nacht zuvor hatte ich kaum geschlafen. Bei wem konnten wir Quartier nehmen? Mein eigener Lord Kämmerer, William Sandys, hatte nördlich von Basingstoke, gleich hinter der Stadt, ein Haus gebaut; das fiel mir jetzt ein. Er hatte den Grundriss in Form eines H anlegen lassen, »zu Ehren Eurer Majestät«, hatte er behauptet, aber ich wusste, dass er es nur getan hatte, weil er so auch die Neuheiten hatte unterbringen können, nach denen es ihn gelüstete, etwa eine lange Galerie und zahlreiche Fenster.
    Aber Sandys war vor kurzem gestorben, und das Haus war in andere Hände gekommen – in wessen, das wusste ich nicht. Als König hatte ich das Recht, in jedem beliebigen Haus abzusteigen, aber ich zog es vor, meinen Gastgeber zu kennen.
    Ich kam an der Dorfkirche vorbei, einer typischen Pfarrkirche aus der Zeit Heinrichs II . Den Pfarrer würde ich jedenfalls nicht um Unterkunft bitten. Er würde darauf bestehen, im Austausch für seine Gastfreundschaft fromme Doktrinen zu erörtern, und danach stand mir der Sinn nicht.
    Hinter Basingstoke fand ich Sandys Haus – »The Vynes« stand auf einem Schild am Eingang. Ich schaute die lange Zufahrt hinunter; sie war zu beiden Seiten von jungen Linden gesäumt. Eines Tages würden sie riesig sein und Schutz bieten, aber vorläufig waren sie noch leicht zu fällen. Sie verrieten, wie neu das Haus war, und doch hatten sie den, der sie gepflanzt hatte, schon überlebt.
    Unsere kleine Schar zog die Allee entlang, und dann sahen wir das große Herrenhaus. Es war ein Ziegelbau, neu, mit glatten Kanten. Es war schön, so schön, wie die meisten meiner Schlösser nie waren, weil sie zu groß waren oder weil andere sie erbaut hatten …
    Kate hielt neben mir. »Sandys hat sich ein prächtiges Heim erbaut.« Sie schwieg für einen Augenblick. »Schade, dass er diesen Augenblick nicht mehr erleben konnte.« Ich muss eine wegwerfende Gebärde gemacht haben, denn sie fuhr fort: »Den Augenblick, da sein Souverän zu Besuch kommt. Glaubt Ihr nicht, das ›H‹ war dafür gedacht? Glaubt Ihr nicht, dass die Kammer, in der Ihr heute nächtigen werdet, fortan die ›Königskammer‹ heißen und für alle Zeit wie ein Schrein bewahrt werden wird?«
    Sie sah so erbost aus! »Ach, Kate …«
    »Könnt Ihr das nicht verstehen?« Sie klang zornig. »Ihr bringt den Menschen Freude. Sie bauen ein ganzes Haus in der Hoffnung, dass Ihr es eines Tages sehen, es besuchen werdet!«
    Was sie sagte, stimmte. Aber ich hatte mir selten gestattet, dies hinreichend zu bedenken und mich an der Verehrung meiner Untertanen zu erfreuen. Stattdessen hatte ich mich an ausländische Potentaten und Mächte gewandt: An Franz, an Karl, an den Papst. Sie aber würden kein einziges Andenken an etwas, das ich getan hatte, in Ehren bewahren.
    Wir hielten am Ende des von wackeren Bäumchen gesäumten Weges an. Ich schickte einen Knecht zur Tür, damit er unsere Anwesenheit kundtue. Die Tür wurde geöffnet, und dann ließ man den Knecht eine Viertelstunde warten, derweil drinnen ein großer Aufruhr losbrach.
    Endlich erschien ein Mann; er blinzelte, als beobachte er eine Sonnenfinsternis. »Eure Majestät«, stammelte er, »ich bin nur ein Kaufmann, ein armer, unwürdiger

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