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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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hieß.
    Sie hatten die unsterbliche Seele meines Vaters in Gefahr gebracht: Dafür hatten sie den Tod verdient. Sie wurden hingerichtet, wie es ihrer Bosheit zukam.
    Will:
    Der weichherzige Jüngling, der solchen Abscheu vor »politischen« Hinrichtungen empfand, konnte also angesichts »moralischer« Verbrechen in Empörung geraten? Für einen Titel richtete er niemanden hin, aber für eine Seele …
    Heinrich VIII.:
    Unter den sieben verbliebenen Ratsherren waren drei Kirchenmänner: Erzbischof Warham, der Kanzler; Bischof Fox, der Geheimsiegelbewahrer; Bischof Ruthai, der Staatssekretär. Die übrigen waren Laien: Thomas Howard, Graf von Surrey, der Premier; George Talbot, Graf von Shrewsbury, der Haushofmeister; Charles Somerset, Lord Herbert von Raglan, der Lord Kämmerer; Sir Thomas Lovell, Schatzkanzler und Garnisonskommandant des Tower.
    Sie kamen täglich eine halbe Stunde vor Mittag zusammen, ungeachtet der Menge der zu erledigenden Angelegenheiten. Ihre Konferenzen waren außergewöhnlich langweilig; die erste, an der ich teilnahm, mündete in einer stundenlangen Debatte über die Frage, ob die Kosten für den Sarg des verstorbenen Königs aus der königlichen Privatschatulle oder aus den allgemeinen Haushaltsaufwendungen beglichen werden sollten.
    Aber Geld war wichtig; das begriff ich durchaus. Was ich noch nicht begriffen hatte, war der Umfang des Vermögens, das ich geerbt hatte, denn die Ratsherren versuchten, diese Information im Dunkeln zu halten, und taten, was sie konnten, sie vor dem »Jüngling« zu verbergen. Schließlich war es Wolsey, der die genauen Zahlen beschaffte und sie mir, in seiner säuberlichen Handschrift aufgeführt, vorlegte.
    Ich las die Zahlen und bemühte mich, eine ausdruckslose Miene zu bewahren. Es war eine herkulische Aufgabe – denn die Zahlen waren so groß, dass sie schlicht unglaublich waren.
    »Und die sind korrekt?«, fragte ich Wolsey in gleichmütigem Ton.
    »Allerdings«, antwortete er. »Ich habe sie aus drei verschiedenen Quellen, und jede davon ist unbedingt vertrauenswürdig. Und ich habe sie selbst viermal überprüft.«
    »Aha.« Ich legte das weiße, gefährliche Stück Papier aus der Hand. Darauf stand, dass ich reich war, reicher, als je ein König von England gewesen war – reicher höchstwahrscheinlich als irgendein König auf der Welt. (Mit Ausnahme des Sultans der Ungläubigen, über dessen Finanzen auch Wolsey nichts wusste.) Ich war wie betäubt. »Danke«, sagte ich schließlich.
    Ich merkte es kaum, als Wolsey sich abwandte und hinausging.
    Reich. Ich war reich. Nein, halt: Die Krone war reich. Was immer der König begehrte, er konnte es haben. Eine Armee? Bitte sehr, und ausgerüstet mit den modernsten Waffen. Neue Schlösser? So viele ich wollte. Und Menschen … Ich konnte sie kaufen, sie benutzen, um meinen Hof damit zu schmücken, wie ich mir etwa Juwelen auswählte.

    Wann immer ich also an die ersten, friedlichen Tage meiner Regentschaft zurückdenke, sehe ich nur eine einzige Farbe: Gold. Glänzendes Gold, mattes Gold, poliertes Gold, glitzerndes Gold. Goldener Stoff, goldene Ringe, goldene Trompeten.
    Ich schlug an Vaters Schatztruhen, wie Moses in der Wüste an den Felsen geschlagen hatte, und ein funkelnder Strom von Gold sprudelte hervor. Die Krone besaß Schwindel erregende Reichtümer, wie Wolsey mir schon angedeutet hatte. Solche Reichtümer, dass ich jeden Untertan, der eine Schuld bestreiten, einen Schadenersatz verlangen oder nur einfach eine Beschwerde erheben wollte, auffordern konnte, sich zu melden.
    Wir waren überwältigt von der Wirkung dieses Aufrufs. Hunderte von Menschen kamen, und ich musste zusätzliche Anwälte bestellen, um ihrer Ansprüche Herr zu werden; die meisten davon hatten übrigens ihren Ursprung in den grausamen Blutsaugereien der Herren Empson und Dudley.
    In der Mehrzahl der Fälle wurde zugunsten der Anspruchsteller entschieden, und die Krone zahlte. So floss ein Teil des Goldes unmittelbar zurück in die Hände gemeiner Leute, die es auch dringend nötig hatten.
    Es floss aber auch an eine andere Gruppe, die allzu lange mittellos gelebt hatte: An Musikanten und Wissenschaftler und Bildhauer und Maler. (Ich begriff nicht, weshalb diejenigen, die sich entschlossen hatten, dem Ruf der Musen zu folgen, damit traditionsmäßig auch die Armut zu ihrem Los machen mussten, während jeder Wollhändler feines Essen und ein gutes Leben hatte. An meinem Hofe würde es damit ganz anders werden.) Und so kamen sie

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