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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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und liebe Freundin, Maria de Salinas, damit beschäftigt, sie bereit zu machen. Dann führte man uns hinter unseren Wandschirmen hervor (wie Lämmer zur Schlachtbank, kam es mir unwillkürlich in den Sinn; unsere weißen Gewänder verstärkten dieses Bild nur) und geleitete uns zu dem großen Bett mit den neuen Samtvorhängen. Wir erklommen die hölzernen Stufen zu beiden Seiten und stiegen hinein, verlegen und ungelenk. Maria und Brandon zogen die Decke über uns, und die ganze Gesellschaft trat zurück und betrachtete uns zufrieden.
    Carew nickte und brüllte dann: »Wir haben es gesehen!« Dabei schwenkte er sein Schwert. Er war betrunken.
    Schließlich waren sie fort, und ich wandte mich Katharina zu. Wir hatten absurde Ähnlichkeit mit zwei Puppen, die, von Kissen gestützt und mit festlich bestickten Nachtgewändern angetan, aufrecht im Bett saßen. Unter den Decken steckte irgendetwas besonders Kratziges. Ich schob die Hand hinein und zog es heraus. Es war ein Zweiglein.
    »Das sind Betonien aus Spanien«, erklärte Katharina. »Sie geben den Laken einen süßen Duft.« Langsam hob sie die Hände und begann, die Nadeln aus ihrem Haar zu ziehen, sodass es schwer herabfiel und ihre Schultern umfloss wie dicker Honig.
    Unwillkürlich streckte ich daraufhin die Hände aus und berührte ihr Haar. Es war kühl und glatt, wie neuer Satin. Und ihre Schultern darunter waren warm und ebenfalls glatt, und mir schien, dass hier alles Süße versammelt war, das ich je gekannt hatte, magisch vereint in einem einzigen Geschöpf.
    Ich beugte mich zu ihr und küsste sie. Ihre Lippen waren warm und voll. Sie presste mich hungrig an sich, und ich fühlte ihre Brüste durch das dünne Nachthemd. Sie hatte außergewöhnlich große Brüste für ein so kleines, schmächtiges Mädchen, dachte ich irgendwo außerhalb meiner selbst; ein Teil meiner selbst nahm solche Dinge immer noch zur Kenntnis, aber im Ganzen war ich jetzt außer Rand und Band und konnte vor lauter Erregung nicht mehr zusammenhängend denken. Alle Schüchternheit war vergessen, und mein Verlangen erhob sich zu voller Lebensgröße. Ungeduldig zerrte ich an den Bändern ihres Nachtgewandes. Eines zerriss. Sie umklammerte es mit krauser Stirn. »Mein Lord …«, hob sie an.
    »Ich schenke dir neue!«, sagte ich schroff. »So zieh es doch aus!«
    »Zuerst müsst Ihr die Kerze auslöschen.«
    »Nein. Ich will dich sehen! Deine Schönheit sehen«, fügte ich unbeholfen hinzu.
    »Keine Kerzen«, beharrte sie. »Kein Licht. Bitte … Heinrich.« Sie sprach meinen Namen mit großem Zögern aus.
    Ich schlug auf die Kerze, und sie erlosch. Dann warf ich mein eigenes Nachthemd ab und begann, an dem ihren zu zerren. Ich war so voller Hast und Ungeduld – aber gibt es irgendwo auf der Welt ein Verlangen, das überwältigender wäre als das eines siebzehnjährigen Knaben?
    Sie schob meine Hände von sich, entledigte sich mit großer Sorgfalt ihres Nachthemdes und ließ es zierlich zu Boden wehen. Dann drehte sie sich unverhofft im Bette um und schmiegte sich an mich. »Ach, Heinrich …«, murmelte sie, und sie schob ihre Arme um mich und an meinem Rücken herauf. Dabei küsste sie mich unablässig, seufzte und machte kleine Geräusche. War ich gestorben und geradewegs in ein heidnisches Paradies gelangt?
    Am Ende ging alles so leicht. Ja, es erschien wie vorgeschrieben: Es gab überhaupt nichts anderes, das man hätte tun können, um dieses Verlangen wirkungsvoll zu stillen.
    Katharina war anscheinend noch Jungfrau. Aber es ist freilich schwierig für eine Jungfrau, sich einer anderen in dieser Frage sicher zu sein. Als Jahre später die Auseinandersetzung darüber tobte, bewahrte ich daher diplomatisches Stillschweigen, auf dass ich mich nicht selbst verrate.

XIV
    Will:
    I n ganz England wurde allgemein gefeiert, ungefähr ein halbes Jahr lang – vom Tod des alten Heinrich im April, bis die Herbstwinde wehten. Es war ein großes Frohlocken unter den Menschen, von den gemeinsten (zu denen ich in jenen Tagen zählte) bis (wie ich annehme) zu den höchsten im Lande. Es war eine Stimmung, die damals alles andere durchdrang, heute indessen nur schwer zu beschreiben ist: ein Gefühl von Jubel und überschwänglichem Verständnis. Die Leute waren bereit, Jung Harry (wie sie ihn nannten) in ihre Arme zu schließen, ihm alles zu erlauben und dann zu verzeihen. Fast sehnten sie sich danach, dass er endlich sündige, auf dass sie ihm zeigen könnten, wie sehr sie ihn

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