Ich, Heinrich VIII.
nun zu tiefer gehenden Dingen: Es fehlte mir noch etwas, wonach ich mich sehnte. Eine Frau. Ja, ich würde eine Königin haben. Wen aber anders als Katharina, der ich mich schon vor so vielen Jahren versprochen hatte? Ich kümmerte mich nicht um die nebulösen Eheverträge, die Vater entworfen hatte: Mit seinem Tod waren sie null und nichtig. (Zumal da er sich in einigen der Verhandlungen selbst als Bräutigam ausgelobt hatte.) Ich wollte Katharina oder keine.
Aber ich musste mich beeilen, wie es schien. Als den Spaniern Vaters Heiratspläne mit Habsburg zu Ohren gekommen waren, hatten sie die Hoffnung auf eine Ehe zwischen uns fahren lassen, und der spanische Gesandte hatte Katharinas Habe bereits zum größten Teil aus England wegschaffen lassen; ihre eigene Abreise würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie, die gelobt hatte, sie werde lieber in England sterben, als unvermählt nach Spanien zurückkehren, stand im Begriff, ihr Gelübde zu vergessen.
Aber wenn sie bereit war, ihren Schwur zu brechen, so war ich es umso weniger. Sie war mit mir verlobt, und ich war an sie gebunden. So ließ ich sie tags darauf in die Privatgemächer rufen.
Sie kam über die Maßen pünktlich. Enttäuschung regte sich leise in mir, als ich sie erblickte, wie sie, klein und ärmlich gekleidet, durch den weiten Saal auf mich zukam. Sie sah viel älter aus und weniger hübsch, als ich sie in Erinnerung hatte. Aber ich hatte sie seit fast sechs Jahren nicht mehr im hellen Licht gesehen, und unterdessen war ich vom Knaben zum Manne herangewachsen. Gleichviel, dies war meine Verlobte …
»Katharina«, sagte ich. Ich ging ihr entgegen und streckte meine Hände aus. Ich überragte sie wie ein Turm. Sie war … gedrungen. Nein, petite, verbesserte ich mich. »Meine Gemahlin.«
Sie machte ein verwirrtes Gesicht. »Nein. Ihr sollt eine Habsburgerin heiraten. De Puebla hat begonnen, meine Mitgift nach Brügge zu transferieren.«
»Zum Teufel mit der Mitgift!«, versetzte ich. »Ich habe ein Vermögen geerbt, wie es keinem englischen König je hinterlassen ward. Ich brauche Eure Mitgift nicht; ich will sie gar nicht. Sie stinkt nach Verhandlungen, nach Ränken, nach Lügen und Gefeilsche. Ich will Euch, Katharina, nicht Eure Mitgift.«
Sie starrte mich nur an. Eine jähe Befürchtung packte mich: Vielleicht verstand sie noch immer nur wenig Englisch? Ich ging auf sie zu, und sie wich zurück.
»Bitte, Katharina«, sagte ich. »Ich möchte, dass Ihr meine Gemahlin werdet.«
Sie blieb stehen. »Also gut«, sagte sie, und sie kam mir vor, als sei sie vierzig Jahre alt, kalt und würdevoll. Dann stürzte sie mir entgegen und streckte die Arme aus. »Heinrich!«, rief sie und schaute zu mir auf. Tränen glänzten in ihren Augen. »Ich wollte … aber ich dachte« – sie blinzelte ihre Tränen fort –, »ich dachte, es sollte niemals sein.«
»Doch, Katharina. Es soll sein.« Ich sprach mit all der blinden Zuversicht der Jugend. »Auch wenn alle dagegen sind, werden wir heiraten! Und zwar bald, damit wir zusammen gekrönt werden können.«
»Wann?«
»Gleich nach dem Begräbnis meines Vaters. Wir werden im Stillen heiraten und für ein paar Tage aufs Land gehen und allein sein.«
»Eine heimliche Trauung!«
Ich lachte. »Ihr versteht mich sehr gut. Jawohl, eine heimliche Trauung. Alle werden sie fassungslos dastehen, all die, welche uns davon abraten und nur von Verträgen, Allianzen, Mitgiften und Dispensen reden. Wir sind jung, und wir lieben einander. Auf nichts anderes kommt es an.«
»Nein«, pflichtete sie mir bei. »Auf nichts anderes kommt es an.«
Ich beugte mich vor und küsste sie. Ihr Mund war fest und süß. »Ich bin jetzt König«, sagte ich. »Wir haben nichts mehr zu fürchten.«
XIII
K atharina und ich heirateten Mitte Juni, nur zwei Wochen vor der Krönung. Es war eine private Feier, eine schlichte Messe in der Kapelle der Gehorsamen Brüder zu Greenwich (wo ich auch getauft worden bin). Erzbischof Warham traute uns. Nur die Familie war zugegen.
Will:
Ein kurioses Faktum: Heinrich feierte niemals eine so prachtvolle, öffentliche Hochzeit wie die seines Bruders Arthur, obwohl er öffentliche Feste sonst so sehr genoss. Wann oder wo seine Hochzeit mit Anne Boleyn, Jane Seymour oder Catherine Howard stattfand, ist den meisten Menschen bis heute ein Geheimnis.
Heinrich VIII.:
Es war das dritte Mal, dass ich an Katharinas Seite stand und in der einen oder anderen Form ein Ehegelübde ablegte. Beim ersten
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