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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Kreatur. Er wollte sich in langatmigen Begrüßungsformeln ergehen, doch ich schnitt ihm das Wort ab, denn seine riechende Person erregte meinen Unwillen. Er stank schlimmer als der Rosenrauch in der Sterbekammer meines Vaters. Ich verlangte sein Anliegen zu erfahren, und schließlich offenbarte er es mir. Er bringe mir einen Brief von Ludwig, die Antwort auf einen, den ich angeblich selbst geschrieben hätte, um darin meinen Bruder, den Allerchristlichsten König von Frankreich, zu bitten, mit mir in Frieden zu leben. Er reichte mir den Brief. Er stank ebenfalls – infolge der Nähe zu seinem Überbringer?
    Ich entrollte den Brief und überlas ihn schnell, und ich merkte, wie mein Gesicht rot wurde, wie es das in Augenblicken der Belastung zu meiner Verlegenheit zu tun pflegt.
    »Was?«, sagte ich langsam. »Der König von Frankreich, der es nicht wagt, mir ins Antlitz zu schauen – geschweige denn, gegen mich Krieg zu führen! –, behauptet, ich bäte ihn um Frieden?«
    Die Anmerkung, er »wage nicht, mir ins Gesicht zu schauen«, war zugegebenermaßen ein wenig überzogen, aber ich war auch wie vom Donner gerührt. Jemand hatte einen kriecherischen, würdelosen Brief in meinem Namen geschrieben, meine Unterschrift gefälscht und das Königliche Siegel benutzt!
    »Wer von Euch ist das gewesen?« Erbost funkelte ich die Ratsmitglieder an, die zu beiden Seiten der Estrade angetreten waren.
    War es Warham, mein Lordkanzler? Betrübt schaute er zu mir auf, ein trauriger alter Hund.
    Ruthai, der Staatssekretär? Ich starrte ihm in die brombeerschwarzen Augen, doch es war nichts in ihnen zu erkennen.
    Fox, der Geheimsiegelbewahrer? Er lächelte selbstgefällig im Schutze seines Priestergewandes – wie er glaubte.
    Wie stand es mit den Übrigen? Howard, Talbot, Somerset, Lovell? Sanft lächelnd erwiderten sie meinen Blick. Keiner von ihnen verfügte über die Mittel, so etwas zu tun. Es musste einer der Priester gewesen sein.
    Ich wandte mich ab und ging zur Tür; ich zitterte vor Wut und wagte deshalb nicht, noch etwas zu sagen.
    »Euer Gnaden!«, rief Fox mit klarer, herrischer Stimme. »Der Abgesandte erwartet Eure Antwort.«
    Ich fuhr herum. »Dann gebt sie ihm!« Meine Stimme hallte durch den weiten Saal, der mit seinen flämischen Gobelins und seinen Goldverzierungen in neuer Pracht erstrahlte. »Ihr, die Ihr so geschickt seid im Abfassen königlicher Verlautbarungen – Ihr mögt fortfahren.« Und ich verließ den Saal. Hinter mir hörte ich Stimmengewirr, erzürnt und ratlos.
    Hatte ich sie in Bedrängnis, in Verlegenheit gebracht? Von mir aus. Am liebsten hätte ich Fox umgebracht, ihm den ledrigen Hals zusammengepresst und ihn dann auf den Hof hinausgeworfen, wo die Hunde über ihn herfallen sollten. Aber ich hatte mich gezwungen, es bei Worten bewenden zu lassen. Zumindest könnte der französische Stutzer seinem Ludwig nicht berichten, dass der englische König gegen einen seiner eigenen Minister handgreiflich geworden sei.
    Draußen lehnte ich mich gegen die Tür und atmete tief. Jetzt war mir alles klar. Vater gedachte, mittels seiner drei getreuen Ratsherren noch aus dem Grabe heraus zu regieren. Deshalb hatte er keinen Protektor ernannt: So war es sicherer und unauffälliger. So konnte er nun mit heiterer Gelassenheit unter seinem prächtigen Grabmonument ruhen – »eine reichere Behausung im Tode als im Leben«, wie man scherzhaft bei Hofe gesagt hatte –, in dem glücklichen Bewusstsein, dass sein eigensinniger Sohn, zu dem er kein Vertrauen gehabt hatte, niemals wirklich regieren würde.
    Dumm und ohne Empfinden … Hielt er mich für so dumm, dass ich keine Einwände dagegen haben würde, wenn jemand meine Unterschrift fälschte oder das Königliche Siegel benutzte? Das war Verrat. Glaubte er, ich sei empfindungslos selbst gegen Verrat?
    In der Zurückgezogenheit meiner Gemächer schenkte ich mir einen großen Becher Wein ein. (Für den Augenblick war ich befreit von den unwillkommenen Handreichungen meiner Dienerschaft.) Zorn und Demütigung kämpften in mir um die Oberhand, und eine kalte Härte würde am Ende alle beide verdrängen. Am Ende war es doch nicht Fox, den ich zu bestrafen wünschte. Er war nur seinen Befehlen gefolgt und dem König treu geblieben, dem er vor langer Zeit Gehorsam geschworen hatte. Mochte der Himmel mir einmal einen solchen Diener schicken!
    Ich ging zu Vaters Bett. Ich hatte die tristen Vorhänge abnehmen, die Strohmatratze durch eine mit Daunen gefüllte ersetzen

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