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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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erweisen, dass ich sie bewahren und verteidigen möge. Als er die Messe las, gelobte ich bei meiner unsterblichen Seele, nur Gutes für England zu tun und ihm zu dienen als guter, makelloser Ritter.
    Manche Theoretiker behaupten, eine Krönung sei nichts weiter als eine Zeremonie. Aber mich veränderte sie, auf eine feinsinnige, unabänderliche Weise: Ich vergaß das Gelübde niemals.
    Doch schon kurz danach, als ich auf die zwei Monate seit meiner Thronbesteigung zurückblickte, sah ich überrascht, wie viele Veränderungen sich bereits in mein Wesen geschlichen hatten. Noch im April war ich ein verängstigter Siebzehnjähriger gewesen; jetzt (nach meinem achtzehnten Geburtstag hielt ich mich für sehr viel älter) war ich ein gekrönter König. Und nichts Unglückseliges hatte sich ereignet, keine der Katastrophen, die ich befürchtet hatte, war über mich hereingebrochen: Niemand hatte mir mein Anrecht auf die Krone streitig gemacht (obwohl ich Vaters Rat, de la Pole hinzurichten, nicht beherzigt hatte; er lebte immer noch gesund und munter im Tower). Ich hatte den Vorsitz im Geheimen Staatsrat und im Rat vom Grünen Tisch übernommen. Ich hatte geheiratet. Als Katharina mir einen Monat nach der Krönung mitteilte, dass sie schwanger sei, lachte ich laut. Es war so einfach, dieses Königsein. Wovor hatte ich Angst gehabt?
    Und all diese Tage durchschimmert noch eine andere Art von Gold: Das Goldhaar meiner Katharina. Ihr Haar, wenn wir uns im Tanze drehten; ihr Haar, wie es wehte, wenn wir über weite Felder und sonnendurchstrahlte Wälder ritten; ihr Haar, wie es im Bett über die Kissen fiel, über ihre Schultern und meine Arme. Ich hatte nie geglaubt, dass ein Sterblicher so glücklich sein könnte; ich verspürte eine so wunschlose Seligkeit, dass es mir sündhaft erschien – und das war es in der Tat.

XV
    U nd dann war es zu Ende – unvermittelt wie jeder Traum. Es endete an dem Tag, da Wolsey (der für sich die de facto-Position des Boten zwischen mir und dem Geheimen Staatsrat geschaffen hatte) zu mir kam und mir mitteilte, »der französische Emissär« sei gekommen.
    Was für ein französischer Emissär? So fragte ich mich. Vielleicht hatte Ludwig XII . irgendein Unglück ereilt. Ich muss gestehen, halb hoffte ich, die alte Spinne sei tot.
    In den letzten paar Jahren hatten sich die Franzosen plötzlich auf eine aggressive Politik verlegt. In den fast hundert Jahren seit jenem glorreichen Tag, da unser Heinrich V. Frankreich praktisch erobert hatte, waren sie genesen wie ein Todkranker, der die Pest doch noch besiegt. Zunächst hatten sie ein wenig neue Kraft gewonnen und ihre Streitkräfte gesammelt; dann hatten sie uns zurückgedrängt, uns erst aus der Normandie, dann aus Aquitanien vertrieben, bis wir uns in Calais und einem kleinen Gebiet ringsum hatten festsetzen können. Dann hatten sie begonnen, das umliegende Territorium zu verschlingen: Burgund, die Bretagne. Ihr Appetit aber war dabei immer gieriger geworden, eben wie bei jemandem, der von der Pest genas. Nicht zufrieden mit der Rückeroberung ihrer eigenen Gebiete, verlangten sie nun nach weiteren: nach Italien vor allem. Ungeachtet des Umstandes, dass sie im Vertrag von Cambrai, den sie zusammen mit dem Kaiser, den Spaniern und dem Papst unterzeichnet hatten, »universalen Frieden« gelobt hatten, fielen sie in Norditalien ein und bedrohten bald auch Venedig.
    England war ebenfalls formell an den Frieden mit Frankreich gebunden, und zwar durch einen Vertrag zwischen Vater und Ludwig. Aber mit Vaters Tod war dieser Vertrag nichtig geworden, und ich war nicht sicher, ob ich ihn erneuern wollte. Der Papst in seiner Bedrängnis hatte Hilferufe ausgesandt, als er gesehen hatte, wie die Franzosen in Italien eingedrungen waren; und ich hatte nicht vergessen, dass Ludwig seinerzeit Edmund de la Pole in allen Ehren bei Hofe empfangen hatte und dem Jüngeren der de la Poles, Richard, Asyl gewährte. Ludwigs Tod würde also manches Problem lösen, wenigstens aber dem gefräßigen Appetit des französischen Staates ein Weilchen Einhalt gebieten.
    Ich zog mich an (besser gesagt, ich legte meine »Audienzgewänder« an, was die Handreichungen eines guten Halbdutzends von Männern erforderte) und begab mich in den Audienzsaal. Wolsey hatte in aller Eile den Geheimen Staatsrat hinzugerufen, und sie erwarteten mich nun, als ich meinen Platz auf dem Audienzthron einnahm.
    Der französische Abgesandte wurde hereingeführt – eine parfümierte, geckenhafte

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