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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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gute Kerzen, die jedenfalls das ganze Konzert überdauern und keinen stinkenden Qualm hervorbringen würden, der Memmos Instrument beschädigen könnte.
    Katharina und ich betraten den Saal als Erste und setzten uns vorn auf die großen königlichen Stühle. Es war inzwischen November geworden, und Katharinas Kleider hatten weiter gemacht werden müssen. Auch ihre Bewegungen waren anders, und das erfüllte mich mit Stolz. Mein Erbe lag dort unter diesen grünseidenen Falten und wuchs seiner Geburt entgegen.
    Memmos Spiel war Schwindel erregend. Er spielte fast drei Stunden lang, und im höfischen Publikum rührte sich niemand. Alle waren verzaubert.
    Nachher, obgleich es kurz vor Mitternacht war, sammelten wir uns an den langen Tischen, auf denen die Speisen angerichtet waren: Krabbengelees und Eiercremes und Pfannküchlein auf feinen weißen Brötchen. Die Gerichte waren noch saftig und frisch: Wolsey hatte sie ausgewählt. Alle redeten durcheinander, und Memmo war von Bewunderern umlagert. Das freute mich. Das wohl vorbereitete Essen freute mich ebenfalls. Ich musste Wolsey loben.
    Just in diesem Augenblick erschien Wolsey in einer kleinen Seitentür, als hätte ich ihn gerufen. Er blieb unauffällig in der Ecke stehen und begutachtete sein Werk. Ein anderer Mann erblickte ihn und ging zu ihm hinüber, und sie sprachen eine ganze Weile miteinander. Ich war neugierig, wer das sein mochte, und näherte mich den beiden. Wolsey hörte dem anderen Mann gebannt zu, aber als er merkte, dass ich herankam, unterbrach er das Gespräch.
    »Euer Gnaden.« Er verneigte sich.
    »Habt Ihr Memmos Konzert gehört, Thomas?«, fragte ich ihn. »Es war köstlich! Ich hoffe, Ihr habt nicht nur die Stühle aufstellen lassen und für die Speisen gesorgt – die im Übrigen vortrefflich waren –, ohne auch zu bleiben und der Musik zu lauschen.«
    »Ich habe sie gehört«, antwortete Wolsey.
    »Thomas hört alles«, bemerkte sein Gefährte. Ich sah ihn an: Ein Mann mit unauffälligen Zügen, aber mit einem offenen Gebaren. Gut gekleidet, aber so geschmackvoll, dass man nichts besonders in Erinnerung behielt.
    »Wie auch dieser Thomas«, sagte Wolsey. »Euer Gnaden, darf ich Euch Thomas More vorstellen? Ein Rechtsanwalt aus London, von dem ich mich gelegentlich beraten lasse, wenn es darum geht, dieses neue Gericht zu konstruieren, das der Rat im Schloss tagen zu lassen gedenkt.« Er schwieg einen Augenblick lang. »Ihr erinnert Euch. Um Belästigungen und Verzögerungen durch lokale Gerichtshöfe aus dem Weg zu gehen.«
    »Ah ja.« Ich hatte ihnen für diese Zwecke einen alten Raum zugewiesen, dessen Decke mit einer verblichenen Himmelskarte bemalt war. Sie hatten darauf scherzhaft vom Sternenkammergericht gesprochen.
    More lächelte. »Ich fürchte, der Künstler, der dieses Deckengemälde anfertigte, hatte das wirkliche Firmament noch nie gesehen. Die Sterne stimmen alle nicht. Castor steht bei ihm im Löwen. Und im Orion fehlt Rigel völlig. Trotzdem ist es ein hübsches Bild.«
    »Ihr versteht etwas von Astronomie?« Es war offensichtlich.
    »Meine Kenntnisse sind kläglich, Euer Gnaden …«
    »Unfug!« Ich wurde immer aufgeregter. »Ihr müsst mit mir aufs Schlossdach kommen. Heute Nacht!«
    Jawohl, heute Nacht. Katharina war müde und wünschte sich gleich zurückzuziehen; das hatte sie mir gesagt.
    »Euer Gnaden, es ist spät.«
    »Spät genug, dass Wega gleich erscheinen wird! Dies ist vor dem Winter die letzte Woche, da er überhaupt noch aufgeht. Und ich kann ihn nicht finden. Gestern Nacht habe ich es versucht, doch ohne Erfolg. Ich habe ein neues Astrolabium …«
    »Seine Gnaden ist ein begeisterter Sternenbeobachter«, erklärte Wolsey. »Er hat nach Padua und Rom geschickt und dort neue Sternkarten und Tabellen bestellt, doch ihre Ankunft lässt auf sich warten.«
    »Vielleicht schicke ich Euch noch persönlich, sie zu holen, Wolsey! Habt Ihr gewusst« – ich verspürte plötzlich ein großes Verlangen, mich More anzuvertrauen und mit ihm zu scherzen –, »dass Wolsey einmal eine Botschaft meines Vaters an Kaiser Maximilian nach Flandern beförderte und in nur vier Tagen wieder zurück war? ’s ist wahr. Als mein Vater seiner ansichtig ward, schalt er ihn, weil er noch nicht aufgebrochen sei, und Wolsey konnte antworten: ›Euer Gnaden, ich war schon dort und bin zurück.‹«
    »Ja, davon habe ich schon gehört«, sagte More ruhig. »Wolsey vermag das scheinbar Unmögliche.«
    »Aber Ihr müsst heute Nacht mit mir aufs

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