Ich, Heinrich VIII.
und weich gewebte Wolldecken darüber legen lassen. Ich hatte sein Geld ausgegeben, seine Möbel zerstört, seine Heiratsvereinbarungen missachtet, seine Mitgiftverhandlungen zunichte werden lassen und Holz in seine kalten Kamine gelegt. Das alles hatte ich getan, und doch hatte ich seine Anwesenheit nicht aus meinem Leben tilgen können. Er war immer noch König im Reich und in seinem Rat.
Ich warf mich ausgestreckt auf das Bett. Was für ein Narr war ich nur gewesen! (Hatte Vater etwa Recht gehabt? Mein Herz krampfte sich zusammen bei diesem Gedanken.) Ich hatte gedacht, es sei einfach, ein König zu sein? Aber so war es geplant gewesen, um mich einzulullen …
Ich brauchte meine eigenen Männer. Wenigstens einen einzigen. Jemanden, der kein abgestandenes Relikt aus Vaters Regierung war, sondern der ganz und gar mir gehörte. Aber wer sollte das sein? Versonnen starrte ich an die geschnitzte Unterseite des hölzernen Baldachins und sah Cherubim und Gruppen von Liebespaaren und Jagdpartien. Aber es fiel mir nichts ein.
»Euer Gnaden?« Die Tür hatte sich lautlos geöffnet. Erbost richtete ich mich auf. Ich hatte nicht erlaubt …
Es war Wolsey. Er hatte irgendeine Schriftrolle mitgebracht.
»Nicht jetzt«, murrte ich und winkte ab. Ich wünschte jetzt keine Zahlen zu lesen. »Ich habe ausdrücklich die Anweisung gegeben, mich nicht zu stören!« Also nicht einmal in meinem eigenen Privatgemach gehorchte man mir.
Er verbeugte sich. »Das weiß ich. Aber ich konnte Euren Kammerdiener überreden …«
Wolsey. Ja. Wolsey war mein Mann. Ich konnte Euren Kammerdiener überreden. Der scharfsinnige Wolsey mit der goldenen Zunge. Weshalb war er mir nicht gleich eingefallen? Weil ich ein wenig Angst vor ihm hatte, Angst vor dieser Ehrfurcht gebietenden Tüchtigkeit, dieser unerschöpflichen Energie, gepaart mit einem unermüdlichen und amoralischen Verstand. Aber ich brauchte ihn; das musste ich mir eingestehen. Ich brauchte ihn verzweifelt.
Alles dies ging mir durch den Kopf, als ich grunzte: »Was wollt Ihr?«
»Ich bringe Euch eine Niederschrift dessen, was nach Eurem Weggang geschah.« Er lächelte. »Es war durchaus erheiternd. Ich wünschte, Ihr hättet auf irgendeine Weise miterleben können, wie fassungslos dieser Franzose dastand. Fox erklärte …«
Aber ich hörte kaum zu, denn ich musterte ihn kritisch. Wie schlau von ihm, mir diese Niederschrift zu bringen. Und seine Schmeichelei war subtil. Er pries nicht etwa mein Aussehen, meine Gewandtheit, verglich mich nicht mit Herkules oder dergleichen. Stattdessen stieß er ins Herz der Dinge vor; er wusste, wo ich am schwächsten war, und suchte mich dort zu stützen. Ja, Wolsey …
Wolsey zog kurz darauf auf meinen ausdrücklichen Befehl hin in den Geheimen Staatsrat ein. Fox und Ruthai und Warham teilte ich freundlich mit, dass ihnen ein weiterer Geistlicher in ihren Reihen vielleicht willkommen sei, da sie nun den Laien im Rat nicht länger an Zahl unterlegen wären. Sie schienen erfreut zu sein. Die Narren.
Obwohl diese Dinge mich sehr beschäftigten, wollte ich Katharina darüber nicht vernachlässigen. Ich sorgte dafür, dass sie Unterhaltung hatte, um ihr die Tage nicht sauer werden zu lassen. Dabei bemühte ich mich vor allem, gute Musikanten aufzutreiben, die immer einige Monate lang bei Hofe spielten.
Nach einem langwierigen Briefwechsel gelang es mir schließlich, Bruder Denis Memmo, den Organisten der Markuskirche zu Venedig, zu gewinnen. Es erforderte eine Menge Gold (wie alles, so begriff ich) und überdies sein diskretes Ausscheiden aus dem Priesteramt und die neuerliche Weihe als königlicher Priester in meinem Dienst. Aber es war geschehen, und er war nach England gekommen und hatte aus Venedig eine prachtvolle Orgel mitgebracht. Ich brannte darauf, sie genauer zu untersuchen, denn mich interessierte die Kunst und die Wissenschaft des Orgelbaus sowie die Frage, wie sich die Konstruktion des Instruments auf seinen Klang auswirkte. Nun wurde die herrliche Orgel in Greenwich Palace aufgebaut, und Memmo sollte für den gesamten Hof spielen.
Wolsey (er war inzwischen auch für solche geringfügigen Details zuständig, nicht nur für gewichtige Angelegenheiten) hatte sämtliche Stühle aus den Privatgemächern des Palastes zusammentragen lassen, auf dass jedermann bequem sitzen könne. Längs der einen Wand hatte er einen Tisch mit leichten Erfrischungen aufstellen lassen, und er hatte befohlen, überall frische Kerzen anzubringen – große,
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