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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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sorgten, dass gemeine Bürger sie nicht in die Hände bekamen, bestanden die englischen Herrscher geradezu darauf, dass das Volk bewaffnet war. Zum Teil aus Sparsamkeit: Ein stehendes Heer ist erschreckend kostspielig. Vor allem aber war es eine Vertrauenssache. Harry hatte kein Heer, und nur eine Hand voll gerüsteter Leibgardisten schützte ihn vor einem voll bewaffneten Volk. Gleichwohl wurden seine Erlasse widerspruchslos befolgt, und er scheute sich niemals, unbewaffnet unter die Leute zu gehen, nicht einmal, als seine Unbeliebtheit ihren Höhepunkt erreicht hatte.
    Heinrich VIII.:
    Wir sprachen vom Frieden, aber wir rüsteten zum Krieg. So, das lernte ich bald, war es Brauch. Aber die heilige Weihnachtszeit unterbrach diese schmutzigen Geschäfte, denn die ganze Welt hielt inne und beging die Geburt des Erlösers.
    Will:
    Ich bin sicher, damals hätte er es so nicht ausgedrückt. Sein Titel »Oberstes Haupt der Kirche in England« ist ihm später ein wenig zu Kopfe gestiegen und hat ihn zu dem Versuch veranlasst, in der Rückschau päpstliche Verlautbarungen nachzuahmen. Damals (wohlgemerkt, er war ja erst achtzehn!) verkündete er zweifellos nur: »Es ist Weihnacht und Zeit zum Feiern.«
    Heinrich VIII.:
    Ich bestimmte, dass die Festlichkeiten an meinem Hofe mit großer Pracht zu gestalten seien, denn die Weihnachtsfeiern waren aus verschiedenen Gründen wichtig. Sie ließen die Menschen bei Hofe zusammenwachsen wie eine große Familie und vertrieben alle Zwistigkeiten, wenn auch nur für eine Weile. Wer hier nur Pomp und Gepränge sah, erkannte nicht den wahren Zweck: Wir brauchten Ruhe und Erholung von unserer Arbeit. Und alle Welt ruhte aus. Die Straßen waren nahezu unpassierbar, und sogar die Themse gefror stromauf bis London, sodass der normale Handelsverkehr zum Erliegen kam. Kahl und hart gefroren lagen auch die Felder, und das gemeine Volk vergnügte sich derweilen. Sollten wir es nicht genauso machen?
    Das Wetter war uns freundlich gesonnen, und es wurde im Dezember eine Zeit lang etwas wärmer; so konnte man den Julklotz schlagen und das Feuerholz trocknen, und Familien, die weiter entfernt wohnten, hatten Gelegenheit, zu den Festlichkeiten an den Hof zu kommen. Der Festmeister konnte seine spektakuläre Prunkmaschine (lauter papier maché und Farbe und Illusion auf einem großen Karren) im Freien zusammenbauen.
    Und dann, es war Mitte Dezember, änderte sich das Wetter wie auf königlichen Befehl, und es ward Winter. Der Schnee wehte vom Norden heran, trieb uns in die Stuben und machte uns dankbar für Feuer und Fackeln.
    Natürlich geschah dies nicht auf königlichen Befehl, aber es war doch alles so, wie ich es veranlasst hätte, von Kleinigkeiten wie dem Wetter bis zu wichtigen Dingen – etwa, dass ich einen Diener wie Wolsey bei der Hand hatte – und endlich bis zu meinem Weibe Katharina, die mir in jeder Weise wohlgefällig war und nun auch in ihrer Schwangerschaft so mächtig wurde, dass ich es mit Beifall sah. Ich weiß noch, wie ich mich in meinem Arbeitsgelass ans Fenster lehnte (durch welches der Nordwind pfiff, denn der Rahmen war schlecht eingepasst) und dem Herrn für all diese Segnungen dankte.

    Warham zelebrierte am Weihnachtstag das Hochamt in der königlichen Kapelle, und der ganze Hofstaat war zugegen: die königliche Familie und ihr Gefolge auf der Empore, der Rest des Haushalts unten.
    Danach begannen die weltlichen Feiern. Es gab Mummenschanz und Schauspielerei, und auch drei Narren tollten umher. Bei einem großen Bankett wurden an die achtzig verschiedene Speisen aufgetragen (darunter auch gebackene Neunaugen, mein Leibgericht). Später dann ein Tanzvergnügen in der Großen Halle.
    Vermummt, wie es die Sitte verlangte, tanzte ich mit mancher Dame zum lebhaften Saitenklang der Stockfiedel und zu den dumpfen Tönen des hölzernen Xylofons. Nur eine erkühnte sich, zu raten, wer ich wohl sei: Lady Boleyn, die Frau des Thomas Boleyn, eines meiner Kammerherren. Sie war ein eitles, langweiliges Weib, dauernd zu Techtelmechteln aufgelegt, und sie hielt sich für bezaubernd. Es begann damit, dass sie rundheraus verkündete, es sei der König, mit dem sie tanze; sie erkenne ihn an seiner Kraft, seiner Männlichkeit und seiner tänzerischen Gewandtheit. (Ein gerissener Schachzug. Wäre ich nicht der König – und die Chance, dass ich es war, hielt sich in Grenzen –, dann würde es mir, so bildete sie sich ein, schmeicheln, derlei zu vernehmen; hätte sie aber zufällig Recht,

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