Ich, Heinrich VIII.
Heinrich Courtenay, mein erster Vetter, der Sohn der Catherine Plantagenet, meiner Tante mütterlicherseits. Da war Margaret Plantagenet Pole, eine Cousine meiner Mutter, und ihre Söhne Reginald, Heinrich und Geoffrey, meine Vettern zweiten Grades. Da waren meine Vettern zweiten Grades aus dem Hause St. Leger, und die Vettern von Stafford, und Heinrich Bourchier, Graf von Essex, ein noch entfernterer Verwandter. Ich war glücklich, und ich wollte mein Glück mit der ganzen Familie teilen, wie jeder normale Mensch.
Die Prälaten hatten ihren eigenen Tisch, ganz rechts außen. Der Erzbischof von Canterbury saß am Kopf, und neben ihm die anderen hohen Bischöfe, Ruthai von Durham und Fox von Winchester. Der Rest des langen Tisches gehörte der beinahe vollständig versammelten Konvokation, dem »Parlament« der Kirche. Wolsey saß nicht an diesem Tisch. Sein Rang war zu niedrig, denn damals war er ja nur Almosenier und bescheidener Canonicus zu Windsor.
Am langen Tisch in der Mitte hatten die Edelleute des Reiches und ihre Damen Platz genommen. Es gab jetzt nur noch einen Herzog in England (abgesehen von dem Herzog von Suffolk im Kerker), nämlich den Herzog von Buckingham, Edward Stafford. Früher hatte es natürlich mehr gegeben, aber im Kampf für oder gegen Richard III . hatten sie den Titel oder das Leben oder beides verloren. Thomas Howard, der Herzog von Norfolk, hatte in der Schlacht von Bosworth Field gegen meinen Vater gekämpft und verloren. Daraufhin war er auf den Stand eines Grafen zurückgestuft worden. Seine Gefolgsleute verbreiteten die Legende, er sei nach der Schlacht zu meinem Vater gegangen und habe zu ihm gesagt: »Richard war König, und so kämpfte ich für ihn. Wollte das Parlament einen Pfahl zum König machen, so kämpfte ich auch für ihn, wie es meine Pflicht gebietet.« Aber das ist absurd, denn das Parlament macht überhaupt niemanden zum König. Überdies ist es eine Beleidigung für einen König, ihn mit einem taubstummen Pfahl zu vergleichen, und Howard war zu klug, als dass er dergleichen geäußert hätte. Jetzt hielt ich ihn im Zwinger seines Grafentitels, bis der Tag käme, da er sich sein Herzogtum durch eine edle Tat zurückeroberte.
Aber die Reihen der Grafen und niederen Marquis waren gleichfalls dünn geworden. Die Kriege hatten auch sie dezimiert. Bei meiner Krönung war eine Anzahl von Männern zu Rittern des Bath-Ordens geschlagen worden, und auch diese saßen nun am Tisch des Adels. Aber eigentlich, so fand ich, war die Aufnahme in den Ritterstand nur auf eine einzige angemessene Weise zu erwerben, nämlich durch Mut und Tüchtigkeit auf dem Schlachtfeld, und so würde es vorläufig keine neuen Ritter geben.
Am dritten Tisch, zur Linken, saßen diejenigen, die Katharina oder mir aus irgendwelchen Herzensgründen lieb und wert waren. Da war Lady Willoughby, die eigentlich Maria de Salinas hieß – Katharinas treue Kindheitsfreundin aus Spanien, die inzwischen mit einem alten Soldaten verheiratet war; Lord Mountjoy, Katharinas Kämmerer, und Edward Baynton, ihr Hofmeister. An diesem Tisch befanden sich auch meine Turniergefährten Charles Brandon, Edward Neville und Nicholas Carew sowie Thomas More und Wolsey. Eine kuriose Mischung, und doch vertrugen sie sich bestens miteinander; zumindest hatte es von dort, wo ich saß, diesen Anschein.
Katharina saß zu meiner Rechten, meine Schwester Maria zur Linken. Wohin ich mich auch wandte, ich sah in ein reizendes Gesicht, und beide waren doch grundverschieden voneinander. Katharinas war rund und honigfarben und hatte lachende, haselnussbraune Augen; Marias war lang und schmal, die Haut war wie von Elfenbein, und die Augen hatten die Farbe des kalten Aprilhimmels.
»Ach, Liebste!« Ich griff nach Katharinas Hand und fühlte ihre Erregung. Die sechs Wochen waren vergangen, die Taufzeremonie vorüber … »Danke. Ich danke dir für dieses wunderbare Geschenk, das du mir gemacht hast. Einen Sohn.«
Sie erwiderte den Druck meiner Hand. »Nicht ich«, antwortete sie lachend. Sie hatte damals eine hübsche Art zu lachen – wie spanische Glocken, dachte ich, sagte es ihr aber nie; heute frage ich mich, warum nicht. »Gott hat ihn uns beiden geschenkt.«
»Nein. Du. Du.« Ich schob meine Finger unter ihren Gürtel, vor fremden Blicken verborgen durch das linnene Tischtuch; ich wusste ja, wie kitzlig sie war, und ich wollte dieses süße kleine Lachen noch einmal hören. »Du hast ihn mir geschenkt.«
Sie lachte, und ich zog
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