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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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VIII.:
    Auch dem Glück konnte ich nicht befehlen, zurückzukehren; noch wochenlang danach, weit ins neue Jahr hinein, wollte meine Trauer nicht vergehen. Katharina und ich brüteten über unserem Verlust, und wir verschmolzen miteinander im gemeinsamen Schmerz. Wir ließen besondere Messen lesen und steigerten unsere Frömmigkeit. Zu niemandem sonst konnte ich über meine Gefühle in dieser Angelegenheit sprechen; zu sehr berührte sie mich im Kern meiner königlichen Person. Aber Katharina, Katharina, selber eine Königin, verstand mich …
    Als sie schließlich genesen war, stellte ich fest, dass gerade die Nähe zwischen uns, das im Herzen empfundene Mitgefühl, bewirkte, dass ich ihr anders begegnete, als wir ins Ehebett zurückkehrten. Wie kommt es, so fragte ich mich (und ich frage es mich noch), dass Freundschaft anscheinend die Begierde erdrückt, sie unter einem Kissen der Vertrautheit erstickt? Denn das Begehren ist nichts Intimes; es ersprießt aus Fremdheit und Geheimnis und braucht diese, wenn es überleben soll. Katharina, meine geheimnisvolle Prinzessin aus Spanien, war jetzt meine Freundin im Schmerz … aber gleichwohl erkannte ich sie, wie ein Mann sein Weib erkennen soll, denn so steht es in der Heiligen Schrift.
    Es war Wolsey, den ich bat, besondere Messen für Katharinas und meine privaten Anliegen zu lesen. Wolsey hatte sich im Staatsrat inzwischen als ein Mann erwiesen, auf den ich zählen konnte. Es war politisch klug gewesen, ihn zu ernennen; er hatte unverzüglich und aus eigener Initiative damit begonnen, einigen der Pläne, die Fox, Warham und Ruthai verfolgten, entgegenzuwirken. Wolsey war feinfühlig; ich wusste das zu schätzen, als er keinerlei Neugier hinsichtlich meiner Bitte um zusätzliche Messen an den Tag legte. Wolsey war diskret, und er war ehrlich. Ich hatte einen wertvollen Diener gewonnen. Nun musste ich lernen, ihn möglichst vorteilhaft zu nutzen – vorteilhaft für uns beide.
    Er belieferte mich in stetem Strom mit Zusammenfassungen und Memoranden über die sich stets wandelnde Politik des Auslands. Es war, als erstelle er alle halbe Stunde einen neuen Bericht. Ich war so vertieft in einen Stapel davon (und in eine zusammengefasste Liste des Palastinventars), dass ich nicht bemerkte, wie Katharina eines Morgens gegen Ende Mai in mein Arbeitszimmer kam. Freilich war ihr Schritt auch federleicht. Sie stand hinter mir, ehe ich überhaupt merkte, dass sie zugegen war.
    »Was studiert mein Geliebter so aufmerksam?«, fragte sie leise.
    »Unseren Besitz«, antwortete ich. »Wusstest du zum Beispiel, dass du –
oder wir« – ich legte einen Finger auf das Papier und las, was darüber stand –
»ein Dutzend bemalte Kacheln besitzen?«
    »Nein. Aber es würde mir sehr gefallen, sie angebracht zu sehen. Ich vermisse die Kacheln von daheim – so hell und sauber. Anders als das dunkle Holz hier.«
    »Wo bringt man sie denn an?«, fragte ich neugierig.
    »Auf den Fußböden. An den Wänden. Überall, wo Ihr Gemälde habt, Wandbehänge oder Holz. Es gab sie in mancherlei Rot und Orange und Gelb.«
    »Dann werde ich den Boden unseres Privatgemachs zu Greenwich damit belegen lasen. Und auf eine neue Kachel soll man das Datum schreiben, zur Erinnerung an das erste Jahr unserer Ehe – und unserer Regentschaft.« Eben war mir das Datum in den Sinn gekommen; schon bald würde sich die Krönung das erste Mal jähren. »Du hast mich sehr glücklich gemacht, meine Katharina.«
    Warum empfand ich dann Trauer, noch als ich es sagte? Ich wollte, dass wir in alle Ewigkeit jung verheiratet blieben und niemals einfach Mann und Frau würden, aber das Ende des ersten Ehejahres war auch das Ende des Brautstandes, wie jedermann wusste.
    »Ist das wahr? Aber auch ich habe etwas für Euch.« Sie nahm mein Gesicht in ihre beiden winzigen Hände. »Ich bekomme ein Kind. Unsere Gebete sind erhört worden.«
    Ich muss ausgesehen haben, wie mir zumute war, denn sie küsste mich, lange und süß – noch immer eher wie eine Braut denn wie eine Ehefrau.

    Der Mittsommertag und mein neunzehnter Geburtstag und das Ende unseres ersten Ehejahres – das alles kam im Juni. Ich konnte auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicken und mich erstaunt fragen, wie es mir gelungen war, so gut zurechtzukommen – in Anbetracht dessen, dass ich anfangs ja weder vom Regieren noch von der Ehe etwas verstanden hatte. Durch die Gnade Gottes und durch meine eigene Entschlossenheit hatte ich vermocht, vom Prinzen zum

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