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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Edward sollte er heißen, nach dem kleinen Bruder meiner Mutter, dem König.
    »Heinrich«, wiederholte sie störrisch. »Heinrich muss es sein.«
    »Wenn es dir so viel bedeutet, dann soll es sein.« Solange es nicht Alfonso oder Felipe oder sonst ein ausländisch klingender Name aus Spanien war … »Sobald du kannst, werden wir das ganze Reich einladen, mit uns zu feiern. Es wird Turniere geben, Bankette, Wein aus öffentlichen Brunnen … und auch das gemeine Volk darf kommen. In den Palast«, verkündete ich, einem plötzlichen Impuls folgend. »Er ist ja auch sein Prinz!«
    Die Ärzte und die Zofen der Königin machten verblüffte Gesichter, und sogar Katharina schüttelte den Kopf.
    »Wir sind nicht in Spanien, Geliebte. Hier in England muss der König sich zu seinen Untertanen begeben und ihnen erlauben, zu ihm zu kommen«, beharrte ich.
    »Es gefällt Euch, mit ihnen zu spielen«, sagte sie, halb im Ernst, halb mit einem Lächeln. Sogleich fragte ich mich, in welchem Sinne sie das Wort »spielen« wohl meinte. Aber ich ließ es hingehen.
    »In sechs Wochen«, versprach ich. »Nach der Taufe.«
    Sechs Wochen später war Prinz Heinrich erstaunlich gewachsen; er passte nicht mehr in das Taufgewand, das Katharina so sorgsam bestickt hatte. Es war für ein durchschnittlich großes Kind genäht, nicht für diesen rundlichen kleinen Riesen. Hastig setzte man zusätzliche Stoffstreifen an die Ärmel und in die Seiten.
    Die Taufe, vollzogen durch Erzbischof Warham, war funkelnd und prächtig. Katharina ließ ihrer spanischen Vorliebe für üppige Festlichkeiten die Zügel schießen; sie beharrte auf den Unmengen von Kerzen, auf dem doppelt langen Umhang von Goldbrokat, den ich tragen sollte, und auf den farbigen Freudenfeuern, die später entfacht werden sollten. Vor einhundert Zeugen wurde der junge Prinz Heinrich zu einem Glied am Leibe Christi. Er weinte, als ihm das Wasser über den Kopf gegossen ward – ein gutes Zeichen, denn es bedeutete, dass der Teufel aus ihm vertrieben wurde. Beifälliges Raunen lief durch das Kirchenschiff. Dies für den Gehörnten.
    Ich beobachtete das Kind mit einer so tiefen Erregung, dass ich mich fast ruhig fühlte. Mein schöner, schöner Sohn – kein schmächtiger Arthur: Ihm war es bestimmt, der größte und stärkste König zu werden, den England je gehabt hatte. Edward III ., hieß es, war ein Riese gewesen, und dass mein Großvater sechs Fuß und vier Zoll gemessen hatte, bezeugten Männer, die noch lebten. Aber Heinrich IX . würde ein Sonnengott sein, ein Helios für England.
    Trompeten ertönten mit silbernem Klang, und die Prozession bewegte sich langsam durch das weite Gewölbe der Kirche und hinaus ins Freie, einer juwelenbesetzten, trägen Schlange gleich. Draußen auf dem Platz rollte sie sich zu einem Kreis und wartete – wartete auf Einlass in die Große Halle des Westminster Palace, wo das Taufbankett aufgetragen wurde.
    Habe ich irgendwann angedeutet, Westminster sei ein altmodischer Palast? Es stimmt, aber die Große Halle dort ist ein Schatz, den ich eifersüchtig bewachen muss, auf dass die Zeit ihn mir nicht raube. Ihre Dimensionen sind gewaltig: Ritter zu Pferde könnten dort ein Turnier bestreiten. Am meisten fesselt das Dach, wie es sich ohne Unterbrechung darüber spannt: Stichbalken ziehen sich wie in anmutig geschwungenem Tanz darunter hin und verschmähen Stützpfeiler jeglicher Art. 1395 wurde die Halle erbaut, gerade rechtzeitig zum Hochzeitsschmaus für Richard II . und Isabella von Frankreich. Sie war königlich in ihrer Art, und bis heute ist sie an Größe unübertroffen geblieben. Dieses Wunderwerk begrüßte uns nun, und die Tische waren für einhundert Gäste gedeckt. Auf dem hellweißen Linnen sahen die Reihen der goldenen Platten aus wie glänzende Münzen auf einem verschneiten Feld.
    Auf der Estrade sollten nicht nur die Königin und ich sitzen, sondern auch meine Blutsverwandten. Auch diejenigen, die nicht bei Hofe lebten, waren gekommen, um bei der Taufe ihres königlichen Vetters zugegen zu sein.
    Gewisse Leute – und ich weiß, von wem ich spreche – behaupten, ich hätte jeden, der nur einen Tropfen königlichen Blutes in seinen Adern gehabt hätte, »umgebracht« – aus lauter Angst vor Rivalen, die etwa den Thron für sich hätten beanspruchen können. Ich kann diesen Unfug entlarven als das, was er ist, indem ich die Liste derer vorstelle, die ich einlud, bei diesem Festgelage mit mir an der königlichen Tafel zu sitzen. Da war

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