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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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König zu werden, und inzwischen schien alles von allein zu laufen. Bald würde ich mich auf das einzige Gebiet vorwagen, das ich noch nicht berührt hatte: Ich würde im Ausland Krieg führen und unmittelbar mit den europäischen Regenten zu tun haben. Der Krieg war der Beruf aller Könige und das sine qua non aller großen Könige.
    Im Laufe des langen Sommers – bis in den November hinein dauerte das warme Wetter an – studierte ich die Situation auf dem Kontinent wie einer, der die Schritte eines komplizierten Tanzes beobachtet und auf den Takt wartet, bei dem er den Tanzboden betreten wird.
    Anscheinend belagerte König Ludwig XII . von Frankreich Papst Julius in Bologna und bedrängte den Stellvertreter Christi dort mit gewalttätiger Hand; zu Pisa berief er ein Schismatisches Konzil ein und bestritt so die päpstliche Autorität. Ferdinand von Aragon und Maximilian, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, forderten ihn in feierlichem Ernst auf, von all dem abzulassen oder aber sich der gerechten Bestrafung zu stellen. Ihre Allianz nannten sie die Heilige Liga, und wer hätte ihren feierlichen Ernst in Zweifel ziehen können? Wer überdies hätte daran gezweifelt, dass England als christliches Reich sich durch sein Gewissen genötigt sehen würde, dieser Liga beizutreten?
    Am Wollen fehlte es nicht: Ich wollte den Krieg, und meine Untertanen würden ihn verlangen. An Gelegenheit fehlte es nicht: Sobald man uns aufforderte, der Liga beizutreten, würden wir es tun. An Mitteln fehlte es auch nicht: Der Krieg würde sich mühelos aus dem königlichen Schatz finanzieren lassen, ohne dass ich mich um das Parlament würde scheren müssen.
    »Aber, Euer Gnaden«, hatte Wolsey, der meine Pläne anscheinend kannte, noch bevor ich sie zur Sprache gebracht hatte, eingewandt, »es wäre vielleicht doch das Beste, ein Parlament einzuberufen und Euer eigenes Geld zu sparen. Man wird Euch alles gewähren, solange Ihr neu seid. Später wird es nicht mehr so einfach sein.«
    »Aber es wäre knauserig, so zu verfahren«, widersprach ich. »Es riecht nach meinem Vater, und ich würde es niemals tun.«
    »Euer Vater war in finanziellen Dingen klug. Niemals hätte er sein eigenes Geld ausgegeben, wenn ihm fremdes zur Verfügung gewesen wäre. Eine ausgezeichnete Maxime.«
    »Die Maxime eines alten Mannes! Nicht die eines wahren Ritters!« Die Vorstellung, vor das Parlament zu treten, mit der Mütze in der Hand, dort um Geld zu bitten, um Erlaubnis, als wäre ich ein Kind – nein, niemals! »Ich hoffe, ich werde kein Parlament einberufen müssen, solange ich lebe!« Unversehens dachte ich laut. »Ja, so reich sein, dass ich niemals auf diese Weise Geld beschaffen muss – das wünsche ich mir!«
    »Dann werdet Ihr andere Mittel finden müssen, Euer Gnaden«, sagte Wolsey. »Wohl bitte ich Gott, Er möge Euch lange über uns herrschen lassen, aber sechzig Jahre kann Euer Schatz kaum überdauern! Nein, da müsst Ihr schon eine andere Quelle anzapfen. Dann, sage ich, schlage ich gern drei Kreuze hinter dem Parlament.«

    Mein Sohn Heinrich kam am Neujahrstag des Jahres 1511 zur Welt. Er war kräftig und gesund, und sein erster Schrei war nicht kläglich quäkend wie sonst bei einem Neugeborenen, sondern laut und fordernd. Er kam in die Welt wie Herkules.
    »Schwer, Euer Gnaden«, warnte Dr. Linacre, als er ihn in meine wartenden Arme legte. »Sehr schwer. Er muss ganz aus Muskeln bestehen.«
    Ja, das Bündel war schwer und fest. Ich fühlte die Kraft seiner strampelnden Beinchen.
    »Lob sei dem Herrn!«, rief ich und hielt ihn in die Höhe. »Jetzt ist die Zukunft sicher!« Ich trug meinen Thronfolger in meinen Händen.
    Als ich zu Katharina hineinkam, die bereits gebadet auf frischem Linnen ruhte, hätte ich am liebsten vor Freude gebrüllt. »Liebste«, rief ich, »du hast England alles gegeben, was es sich von dir gewünscht hat!« Da lag sie, mit strahlendem Antlitz, und das bernsteinfarbene Haar fiel ihr über die Schultern – eine Madonna, eine Madonna, die ich anbetete. Ich fiel neben ihr auf die Knie und küsste ihr die Hand. »Danke«, sagte ich, »für das großartige Geschenk, das du mir und unserem Land gemacht hast.«
    »Und auch mir«, fügte sie hinzu.
    Gern hätte ich sie da aufgehoben und aus dem Bett gezogen, gern wäre ich mit ihr in der Kammer umhergetanzt.
    »Er muss Heinrich heißen«, erklärte sie. »Er ist groß und stark wie Ihr.«
    Ich hatte nicht vorgehabt, ihn auf den Namen Heinrich zu taufen;

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