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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Frisch sah er aus, und voller Anmut war er, ganz wie ein Ritter, der soeben zu Jerusalem eingesegnet worden war. Was immer es sein mag, das in solchen Augenblicken in der Brust zum Leben erwacht und anschwillt – mein Stolz ward berührt, und Ekstase überkam mich, als ich ihn gewahrte, als wäre ich selbst ein König, im ehrfürchtigen Staunen darüber, dass wir einen solchen König hatten.
    Heinrich VIII.:
    Katharina erwartete mich im Palast von Richmond. Als ich in London eintraf, war ich so erpicht darauf, sie zu sehen, dass ich mir nicht die Mühe machte, meine von der Reise beschmutzten Kleider zu wechseln, die ich am Leibe hatte, seit wir in Calais an Bord meines Kriegsschiffes gegangen waren. Stattdessen wechselte ich nur das Pferd, auf dass ich mit dem schnellsten Hengst zu ihr galoppieren könnte, den die königlichen Stallungen aufzubieten hatten. Ich war ihr die ganze Zeit über treu gewesen, selbst während jener Zeit in Lille, zwischen der Belagerung von Thérouanne und derjenigen von Tournai, wo wir unseren ersten Sieg gefeiert hatten und es gar manche flandrische Dame danach gelüstet hatte, dem Soldaten-König »comfort« zu spenden …
    Ich war Katharina niemals untreu gewesen. Ich hielt es nicht für recht. Ich hatte mich ihr verlobt, und dieses Verlöbnis würde ich halten. Mein Vater war meiner Mutter ebenfalls niemals untreu gewesen. Ich hätte es nicht ertragen, wenn er sie so beleidigt hätte.
    Die Türme von Richmond Palace ragten fahl und beschwörend in den bleichen Herbsthimmel. Darinnen, darinnen war mein Weib. Künftige Mutter, Siegerin von Flodden Field … oh, ich war wahrlich gesegnet.
    Durch die Korridore (Menschen drängten von allen Seiten, wollten mich für sich) eilte ich wie im Fluge den königlichen Gemächern zu. Und dort stand sie, in der Tür, wie ein Schulkind, nicht wie eine Königstochter Spaniens. Ihr Haar blinkte golden im düsteren Licht. Dann Umarmung, Umarmung, und ich fühlte sie warm in meinen Armen.
    »O Heinrich«, wisperte sie dicht an meinem Ohr.
    »Die Schlüssel von Tournai.« Ich hatte sie an meinem Körper getragen. Jetzt bot ich sie ihr kniend dar.
    Sie nahm sie entgegen, umfasste sie. »Ich wusste, Ihr würdet eine Stadt gewinnen. So oft habe ich als Kind meinen Vater oder meine Mutter mit solchen Schlüsseln heimkehren sehen, Schlüsseln, die sie den Händen der Mohren entwunden …«
    So. Sie verglich mich mit ihren Erinnerungen. Ferdinand und Isabella, wie sie die Mauren aus Spanien vertrieben, sie zurückdrängten, Stadt um Stadt. Konnte ihr Gemahl in solchem Vergleich bestehen?
    Wir durchquerten die königlichen Gemächer. In ihre Kammer würden wir gehen, da es in der des Königs noch dunkel und still und unaufgeräumt war. »Die Mohren sind wieder in Afrika, wo ihr Platz ist«, stellte ich fest.
    »Ja.« Ihr Antlitz glänzte. »Und die Schotten sind wieder in den Bergen, wo ihr Platz ist.«
    In ihrem Gemach standen wir lange Zeit still da und küssten uns. Ihre Lippen, so süß!
    »Du hast maurischen Honig auf deine Lippen gestrichen«, sagte ich leise.
    »Ich tue nichts Maurisches!« Sie wich zurück.
    »Aber gewiss hatten die Mauren auch manches Gute nach Spanien zu bringen …«
    »Nein. Nichts.« Jetzt waren ihre Lippen, so weich, zu einer harten kleinen Linie geworden. »Es kommt nichts Gutes aus den weichen Betten des Orients.«
    »Gleichwohl hast du deine Kindheit im ›weichen maurischen Orient‹ verbracht«, neckte ich sie. »Hast im Kalifenpalast zu Granada dem Spiel der Springbrunnen zugeschaut. Komm, lass mich sehen.« Ich legte ihr die Hand auf den Bauch.
    Er war flach. Völlig flach, und so hart, wie ihr Mund es gewesen war, als sie abschätzig von den Mauren gesprochen hatte.
    »Er ist gestorben«, sagte sie leise. »Unser Sohn. Er kam zur Welt in der Nacht, da ich gehört hatte, dass die Schotten ihre Truppen massieren. Zwischen Mitternacht und Morgengrauen. Warham hat ihn getauft«, fügte sie hinzu. »Seine Seele ist gerettet.«
    »Aber nicht sein Leib«, sagte ich mechanisch. »Du sagst – ›er‹?«
    »Ein Sohn«, sagte sie. »Ein kleiner Sohn, noch nicht so weit geformt, dass er hätte überleben können. Aber weit genug, um getauft zu werden! Seine Seele ist im Paradies.«
    »Jetzt sprichst du wie eine Maurin.«
    Mein Sohn. Tot.
    »Die Schotten waren es«, sagte ich. »Sie haben ihn ermordet. Wären sie nicht gewesen und ihr niederträchtiger Überfall, dann hättest du nicht vor der Zeit entbunden.« Ich löste mich von

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