Ich, Heinrich VIII.
Schwur verraten hatte: verflucht vor Gott und den Menschen. Wolsey war selbst ein schwankendes Rohr im Wind. »Ich lasse Euch in Gottes Hand!«, rief ich. »Er allein weiß, was mit Euch geschehen muss!«
Auf dem Rückweg nach London, als ich über dieselben (und doch so veränderten!) stumpfen braunen Felder ritt, ging mir wie ein Refrain immer wieder das eine durch den Kopf: Wolsey hatte geliebt! Wolsey hatte eine Leidenschaft. Wolsey hatte Söhne. Dieser elende Priester! Gott hatte einem sündigen Priester gesunde Söhne geschenkt und sie mir noch unter die Nase geschoben! Warum war Er so grausam? Weshalb quälte Er mich so?
XX
F rankreich. Ich stand in Frankreich, umgeben von meiner großen Armee. Wir belagerten Tournai, ein hübsches Juwel von einer ummauerten Stadt, nicht weit von Calais.
Ja, hier stand ich, und zwar, weil ich es so wollte. Gewiss hatte es Verzögerungen gegeben, Hindernisse, die jeden minder Entschlossenen zum Aufgeben gebracht hätten. Aber ich hatte sie überwunden: Überwunden hatte ich die Probleme, die damit verbunden waren, vierzigtausend Mann auszuheben, zu rüsten und zu transportieren – die größte Armee, die je auf dem Kontinent gelandet war; überwunden hatte ich das Zaudern derer, die »Vorsicht« predigten und mich warnten: »Bringt Euch nicht in Gefahr; England darf seinen König nicht verlieren, zumal da es noch keinen …«
Keinen Erben gibt. Ich hatte meine Befürchtungen überwunden und Katharina, die wieder (Lob sei dem Herrn!) schwanger war, als Königin-Regentin allein gelassen, obgleich die Schotten hinter unserem Rücken ihre Streitkräfte zusammenzogen.
Überwunden hatte ich auch meinen angeborenen Widerwillen gegen die Hinrichtung des Verräters Edmund de la Pole; es war zu gefährlich, ihn in England zurückzulassen, wo Verschwörer bereitstanden, ihn freizulassen und ihn zum König auszurufen. Also endete er auf dem Schafott, bevor wir die Segel setzten.
Will:
Ich stelle fest, dass Heinrich sich mit dieser Tatsache nicht weiter aufhält, sondern sie knapp verzeichnet, als sei sie nicht weiter von Bedeutung. Als es damals geschah, sprach das Volk von einem »Frühjahrsputz im Tower«.
Heinrich VIII.:
Überwunden hatte ich sogar die Scheu und das Fehlen irgendwelcher festen Pläne bei meinen »ergebenen Verbündeten«. Ferdinand war noch nicht zu mir gestoßen, und Maximilian war eben erst aufgetaucht, ohne Truppen, und hatte sich erboten, als Soldat unter meinem Kommando zu dienen, während wir Tournai belagerten.
Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war ein merkwürdiger kleiner Mann mit rötlich goldenem Haar und einem Kinn, das vorstand wie ein Sims. Er machte einen so liebenswürdigen Eindruck, dass kein Mensch jemals seine Gedanken oder Motive infrage stellte. Aber dieser Mann beherrschte die Niederlande, Deutschland, Österreich und gar manchen in Italien und Frankreich verstreuten Landstrich! Nun trottete er in meinem Kielwasser einher, als ich die Kanonen und ihre Positionen inspizierte, half beim Laden und Abfeuern der Bernharden (unser Schwefel aus Italien war jedenfalls von überragender Qualität, dank dem Papst, und gab hübsche Explosionen), und abends speiste er mit mir in meinem zusammenlegbaren Holzhaus (welches mit allen Annehmlichkeiten meiner heimischen Privatgemächer ausgestattet war, einschließlich meines großen Bettes). Auch erleichterte er sich in meiner privaten Stuhlkammer, die in einem diskreten Anbau am Hause untergebracht war. Nach dem Essen breiteten wir im Flackerschein der Kerzen auf unserem massiven formellen Speisetisch die Karten aus und erörterten unsere Strategie.
»Tournai wird hübsch aussehen, wenn es erst wie Thérouanne dem Erdboden gleichgemacht ist«, schmunzelte Maximilian. Thérouanne hatte ich dreiundzwanzig Tage lang belagert, und als es sich schließlich ergeben hatte, da hatte ich jedermann vor die Mauern kommen und die Stadt zerstören lassen.
»Ich werde es nicht dem Erdboden gleichmachen«, widersprach ich. »Ich gedenke es in den Bezirk Calais einzugliedern und es englisch werden zu lassen. Ja« – ein neuer Einfall war mir gekommen –, »wir werden Vertreter ins Parlament entsenden!«
»Euer Gnaden!«, sagte Wolsey lachend, »das würde aber bedeuten, dass Ihr hier eine Garnison anlegt. Sonst kommen sie nie ins Parlament – sie sind Franzosen!«
»Nun, parlament ist ein französisches Wort«, erklärte Brandon, der sich um Munterkeit bemühte. »Es bedeutet: Lasst uns reden. Und das
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