Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
wenigstens Teile deines Lebens wirklich privat leben möchtest, dann musst du dir die mit einem gewissen Maß an Öffentlichkeit erkaufen.« Deshalb hätten er und seine Braut dafür gesorgt, dass die Presse bei ihrer Hochzeit Stoff bekam, unter anderem sechs Fotos von der kirchlichen Trauungszeremonie. »Für mich ist das ein guter Deal«, schreibt er. »Denn jetzt haben wir Ruhe.«
Das bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass Lahm, solange er beim FC Bayern München und in der Nationalelf kickt, sich nicht sorgen muss, im medialen Abseits zu stehen: Bei jedem Spiel und jedem Training sind Kameras auf ihn gerichtet. Andere Berühmtheiten, darunter nicht wenige Ex-Leistungssportler, haben panische Angst, in Vergessenheit zu geraten. Sie sind deshalb zuallem bereit, das zu verhindern: von hohlem Geschwätz über Themen, von denen sie keine Ahnung haben, über Homestorys, öffentlich ausgetragene Rosenkriege bis hin zur Partnersuche via Fernsehen. Mittlerweile existieren etliche TV-Formate, die allein auf der Enthüllung (scheinbar) privater Momente von abgehalfterten Promis beruhen, vom Promi-Dinner über Let’s Dance bis hin zum Dschungelcamp .
Je niedriger der eigene Kurs, desto mehr muss sich einer für die Medien einfallen – beziehungsweise von ihnen gefallen lassen. Manche machen aus der Not eine Masche und steigern so ihren Wiedererkennungswert. Lindsay Lohan ist mittlerweile vor allem durch ihre wiederholten Konflikte mit der Justiz bekannt – häufig wegen Verkehrsdelikten unter Alkoholeinfluss. Das war lange Zeit auch eine Spezialität des Schauspielers Martin Semmelrogge. Harald Juhnke beschäftigte in seinen letzten Lebensjahren die Öffentlichkeit vor allem mit der Frage: Wird er nüchtern oder blau sein? Etwas origineller ist die Rapperin Lady Bitch Ray, bürgerlich Reyhan S¸ahin. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin gefiel sich eine Zeitlang in der Rolle der feministischen Porno-Provokateurin, lobte sich gern selbst (»Keine ist so krass wie ich«) und nannte ihre Kritiker »Gartennazis« (das Copyright auf den Begriff hat allerdings der Sänger Reinhard Mey). Dem TV-Moderator Claus Strunz überreichte die Lady – als »neo-feministisches Symbol« – eine kleine Dose mit ihren eigenen Schamhaaren. Was bild.de prompt zum »Schamhaar-Eklat« hochtoupierte.
Aufregung bringt Aufmerksamkeit
Das Skandälchen zwischendurch ist ein beliebter Trick, um mal wieder ins Gespräch zu kommen. Da taucht dann zum Beispiel ganz überraschend ein Privat-Porno vom Partygirl Kourtney Kardashian auf, bekannt aus der Familien-Reality-Soap Keeping Up with the Kardashians . In dem Film sei sie, wie das Star Magazine berichtete, beim Oralsex mit einem Ex-Lover zu sehen: »Die Bilder sind sehr klar. Man kann deutlich Kourtneys Gesicht sehen.« Deutlich dezenter, aber in den USA überaus wirkungsvoll: der Busenblitzer, vor einem Millionenpublikum erstmals erprobt von Janet Jackson im Jahr 2004. Sie trat mit Justin Timberlake während einer Spielpause des 38. Super Bowl auf. Gemeinsam gaben sie Timberlakes Song »Rock Your Body« zum Besten. Zur letzten Textzeile »I’m gonna have you naked by the end of this song« riss Timberlake seiner Kollegin die Corsage herunter und enthüllte dabei – versehentlich, wie beide hinterher versicherten – für einen Sekundenbruchteil ihre rechte Brust inklusive Piercing. Das sorgte in den prüden USA für eine Welle der Empörung und ging als »Nipplegate« in die Geschichte des Showbusiness ein. Mit der Folge, dass die Verkaufszahlen von Brustpiercings kurzzeitig in die Höhe schossen und große Live-Ereignisse wie die Verleihung der Grammys oder der Oscars seither um einige Sekunden verzögert ausgestrahlt werden, um das Publikum notfalls durch Eingriffe der Regie vor ähnlichen Schocks zu bewahren. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Fall zogen sich rund sieben Jahre hin. In dieser Zeit ließen Dutzende Stars und Sternchen ihre Busen blitzen, wenn Kameras auf sie gerichtet waren.
Einen Eklat zu provozieren kann für Prominente reizvoll sein, denn er sorgt dafür, dass sie in sehr vielen Medien gleichzeitig auftauchen. Journalisten helfen ihnen gern dabei, sie lieben nichts mehr als Skandale. Täglich, so der Philosoph Peter Sloterdijk, würden in jeder modernen Nation »zwanzig bis dreißig Erregungsvorschläge« lanciert, »von denen naturgemäß die meisten nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen. Die moderne Gesellschaft ist zwar eine sehr skandalisierungsfreudige
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