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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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Riekels People-Magazin ist. In Promi-Kreise kann sie sich gut hineinversetzen, weil sie sich selbst dazu zählt. So ließ sie sich von ihren Untergebenen im eigenen Blatt beispielsweise als Gast der »legendären Damenwiesn« beim Oktoberfest – zu der die »Mietwagenlady und Charity-Queen« Regine Sixt eingeladen hatte – so zitieren: »›Ein weiblicher Super-Organismus‹, wie Bunte -Chefin Patricia Riekel treffend bemerkt: ›Hier ist eingeladen, wer was ist oder weiß. Gemeinsam sind wir stark.‹«
    Die Vermarktung des Privatlebens gehört zum Promi-Business wie der rote Teppich und Botox. Allerdings will das verständlicherweise kaum einer zugeben, weil es peinlich wirken, ja für empfindlichere Gemüter an Prostitution grenzen könnte. Deshalb versuchte sich beispielsweise Hape Kerkeling gegenüber dem SZ-Magazin in der Rolle des Abgeklärten, der solchen Exhibitionismus nicht nötig habe. Er wisse, »dass es in der Medienwelt mittlerweile ein eigener Beruf ist, nur sein Privatleben zur Schau zu stellen. Und da versuche ich gegenzuhalten.« Allerdings musste er im selben Interview einräumen, dass es in seinem bis dahin 3,2 Millionen Mal verkauften Selbstfindungs-Buch »Ich bin dann mal weg« sehr wohl um Privates geht. Dass er zudem der Bild am Sonntag erzählt hatte, wie er sich in einer spiritistischen Sitzung in ein früheres Leben zurückversetzen ließ. Und dass er dieser Zeitung auch die Trennung von seinem langjährigen Lebensgefährten Angelo Colagrossi verratenhatte. »Ich bin mir im Nachhinein auch nicht sicher«, so Kerkeling selbstkritisch, »ob das wirklich klug war.«
    Es gelangt auch deshalb so viel Intimes über VIPs an die Öffentlichkeit, weil manche auf Schritt und Tritt von Klatschreportern und Paparazzi verfolgt und nicht selten auch unter Druck gesetzt werden. Die Schauspielerin Anouschka Renzi sagte, dass solche Erpressungen häufig der Grund gewesen seien, überhaupt mit Boulevardjournalisten zu reden – die sie bei anderer Gelegenheit einmal »Mensch gewordener Fußpilz« nannte. »Man hat einfach Angst vor dem Ergebnis, vor einer falschen Darstellung der Gegebenheiten.« 9
    Unerfreuliche Erfahrungen mit Boulevardjournalisten hat auch die Bestsellerautorin und ehemalige Viva-Moderatorin Charlotte Roche gemacht. Im Sommer 2001 waren ihr 21-jähriger Bruder William, ihr neunjähriger Halbbruder David und das sechsjährige Pflegekind Dennis auf dem Weg zu Roches Hochzeit in London tödlich verunglückt. Ihre Mutter wurde schwer verletzt. »Einen Tag nach dem Unfall«, sagte Charlotte Roche der Zeit , »rief mich jemand auf dem Handy an und sagte, er habe eine schreckliche Nachricht für mich, es habe einen schlimmen Unfall gegeben. Als ob ich das nicht schon gewusst hätte. Ich legte sofort auf, aber das Handy klingelte und klingelte.« Die Bild -Zeitung brachte dann ein großes Foto des Unfallwagens und dazu den Text: »Viva-Star Charlotte Roche. Die Familie war auf dem Weg zu ihrer Hochzeit. Alle 3 Brüder tot in diesem Wrack.« Vier Wochen später sei sie, so Roche, von einem Paparazzo in einem Moment fotografiert worden, als sie beim Warten auf ein Taxi über einen Witz ihres Freundes gelacht habe. Als sie kurz darauf beim Sender Viva eingetroffen sei, habe sie erfahren, dass dort ein Journalist angerufen habe, der ein Interview mit ihr führen wolle. Falls sie sich verweigere, würde amnächsten Tag ein Foto der lachenden Roche erscheinen. Mögliche Überschrift: »So trauert sie um ihre toten Brüder.«
    Es folgten gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen der Roche und Bild . Einerseits verteidigte sie ihre Privatsphäre, andererseits beschrieb sie dann in ihrem Buch »Schoßgebete« – in dem statt der Bild -Zeitung eine Druck -Zeitung vorkommt – ebenjenen Unfall kaum verschlüsselt und sehr detailliert, was ihr den Vorwurf ihres Stiefvaters eintrug: »Ohne Rücksicht, Skrupel und Respekt wird das Familienunglück zur Schau gestellt und vermarktet.«
    Andere VIPs wie der Fußballer Philipp Lahm meinen, man müsse dem Affen ein bisschen Zucker geben, um ihn bei Laune zu halten. In seiner frühen Autobiografie »Der feine Unterschied« bemüht der junge Mann starke Bilder, um seine Methode darzustellen: »Wenn du dich ganz verweigerst, wird Öffentlichkeit gegen deinen Willen stattfinden. Dann hocken die Fotografen in den Bäumen. Wenn du alles öffentlich machst, wirst du zur Geisel deines Ruhms und du sprengst deine Lebensqualität in die Luft. Wenn du als Prominenter

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