Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
man je zu wissen wünschte. Man denke nur an die vor allem durch ihr Tattoo bekannt gewordene und vom Focus FLOG (»First Lady of Germany«) genannte ehemalige Bundespräsidentengattin Bettina Wulff, die später in einem von großem Presserummel begleiteten Buch klagte, wie belastend ihre Rolle im Schloss Bellevue gewesen sei. Oder an Stephanie zu Guttenberg, die sich nicht zu schade war, ihren Mann, damals Verteidigungsminister (→ Der Blender), zu einem Truppenbesuchnach Afghanistan zu begleiten, um dort zünftig in Holzfällerhemd, Jeans und Ugg Boots vor den Fotografen zu posieren und Banalitäten von sich zu geben: »Ich treffe hier viele großartige und motivierte Menschen. Ich bin sehr beeindruckt!«
Joachim Sauer dagegen freut sich jeden Tag mehr darüber, dass er beim Spiel zwischen Medien und Politik, von dem seine Frau ihm erzählt, nicht mitmachen muss. Angela Merkel hätte ihren durchaus vorzeigbaren Gatten wohl gern häufiger an ihrer Seite, weil das beim Wahlvolk gut ankäme. Doch er bleibt seiner Linie treu und fehlte selbst bei ihrer Wahl zur Kanzlerin am 22. November 2005 und 28. Oktober 2009 auf der Ehrentribüne des Bundestages.
Häufiger anzutreffen als der Dezente ist der kontrolliert Prominente, einer, der zwischen seiner öffentlichen und privaten Rolle strikt trennt. Dazu zählt Jürgen Trittin, Chef der Grünen. Der überaus ehrgeizige Besserwisser lässt zwar keine Gelegenheit und keine Kamera aus, um sich darzustellen und dem politischen Gegner eins auszuwischen – aber über sein Privatleben erfährt man so gut wie nichts. Darauf, dass das so bleibt, achtet er penibel. So plauderte seine redselige Kollegin Claudia Roth (→ Die Betroffenheits-Guste) bei einem Interview etwas Harmloses über Trittins Freizeitverhalten aus. Bis ihr siedend heiß einfiel, dass sie »den Jürgen« zuerst aber fragen müsse, ob dieses Detail aus seinem Leben veröffentlicht werden dürfe. Es durfte nicht.
Ein Sonderfall des kontrolliert Prominenten ist der Superstar. Er hat öffentliche Auftritte und Einblicke in sein Privatleben nicht mehr nötig, um seinen Status zu halten, und kann es sich deshalb leisten, darauf zu verzichten. Das ist ein wesentlicher Grund, warum sich beispielsweise Jack Nicholson, Robert de Niro oder Al Pacino rar machen. Zur gleichen Kategorie zählenauch scheue Großschriftsteller. Jerome D. Salinger zog sich wenige Jahre nach dem Erfolg mit seinem 1951 erschienenen Buch Der Fänger im Roggen bis zu seinem Tod im Jahr 2010 nach Cornish in New Hampshire zurück. Thomas Pynchon, Miterfinder des postmodernen Romans, versteckt sich seit dem Erscheinen seines Erstlings V. im Jahr 1963 weitgehend vor der Öffentlichkeit. Das Geheimnis um seine Person gehört zu seinem Image, befördert den Buchverkauf und schmiedet die Gemeinde seiner Fans zusammen. Nebenbei ersparen die scheuen Literaten ihren Anhängern Enttäuschungen: Schriftsteller sind im persönlichen Umgang oft spröde und langweilig.
Die Eintagsfliege
Kurzzeit-Promi. Taucht wie eine Sternschnuppe am Medienhimmel auf, um ebenso schnell wieder zu verglühen. Häufig Teilnehmer einer Castingshow wie Big Brother , Germany’s Next Topmodel oder Deutschland sucht den Superstar ( DSDS ). Diese Sendungen – in denen zur Belustigung des Publikums arme Lichter vorgeführt werden, die krampfhaft und vergeblich versuchen, Stars zu werden – produzieren Eintagsfliegen am laufenden Band. Für die gilt die alte Boxerweisheit »They never come back«. Realistisch ist dagegen eine Zukunft als Promi-Proletarier mit Auftritten in Provinzdiskos oder bei Eröffnungen von Bau- oder Drogeriemärkten.
Wegen der Inflation der Castingshows ist die Zahl der Eintagsfliegen enorm gestiegen und Andy Warhols Prophezeiung wahr geworden, dass jeder für 15 Minuten berühmt werden kann. Wäre die Eintagsfliege vernünftig, nähme sie ihr Los klaglos hin. Doch das tut sie in aller Regel nicht. Entweder, weil der Anlass, der sie einst bekannt machte, im Nachhinein doch eher peinlich wirkt wie beim »Teppichluder« Janina Youssefian; sie verdankt ihren von der Bild verliehenen Titel einer schnellen Nummer mit Dieter Bohlen im Aufenthaltsraum ihres damaligen Arbeitgebers. Oder aber, weil die Eintagsfliege das Rampenlicht nicht missen mag, auch wenn ihre Zeit abgelaufen ist. Die blonde Diplomatentochter Ariane Sommer badete im Jahr 2000 in einem Berliner Einkaufszentrum in Mousse au Chocolat und wurde voreilig zum It-Girl ausgerufen. Als es still um sie wurde,
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