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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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Öffentlichkeit weiß.«
    Weischenbergs Talent sei, schrieb der Medienjournalist Stefan Niggemeier, »das hysterische Geklatsche gut gelaunt und halbironisch so mitzumachen, dass man sie mit einer Stimme der Vernunft verwechseln kann«. Wes Geistes Kind sie wirklich ist, zeigt ein Blick auf ihre Website: Es dürfte kaum eine geben, auf der so viele Fotos von ein und derselben Person zu bewundern sind: Sybille Weischenberg.
    Aus anderem Holz geschnitzt ist der Adelsexperte des NDR Rolf Seelmann-Eggebert, der sein Geschäft der Hofberichterstattung seit Urzeiten mit heiligem Ernst betreibt. Auf die Frage von sueddeutsche.de , ob die bürgerliche Kate Middleton nach der Ehe mit Prinz William von Englands Upper Class akzeptiert würde, dozierte er: »Die Upper Class und das Königshaus sind einander in freundschaftlichen Beziehungen verbunden, wasden Hochadel aber nicht davon abhält, ebenso freundschaftliche Beziehungen mit Bürgerlichen einzugehen. Inzwischen ist es fast schon so, dass man sich schämen muss, wenn man keine Bürgerliche oder keinen Bürgerlichen ehelicht.« Vor rund 75 Jahren hat so etwas einen noch den Thron gekostet – so vergeht der Ruhm der Welt!
    Wie weit man es bereits in jungen Jahren als Putzerfisch bringen kann, zeigt Mario Lavandeira alias Perez Hilton. Der Amerikaner kubanischer Herkunft fing als 26-Jähriger an, über Stars zu bloggen, »weil es mir so leicht vorkam« – und war schon bald Hollywoods meistgehasster Klatschonkel. »Der gehässige Clown« ( Frankfurter Rundschau ) mit den grell gefärbten Haaren, dessen Homepage aussieht, als sei sie unter LSD-Einfluss entstanden, macht es sich tatsächlich leicht und verbreitet, ohne mit der Wimper zu zucken, Gerüchte aller Art. Seine Spezialität sind Fotos, die er mit Gemeinheiten bekritzelt. Auf eines von Lindsay Lohan schrieb er etwa: »I love Crystals« (Szenejargon für eine Designerdroge). Darunter heißt es, Lohan habe einem Freund vor einer Bar in Venedig Geld gegeben und dafür einen Plastikbeutel mit einer unbekannten Substanz bekommen. Lohans PR-Mann wird mit dem Satz zitiert, die Tüte enthalte Kristalle (im wörtlichen Sinne) aus einem Geschäft in der Lagunenstadt – worüber Hilton sich lustig macht.
    Angenehmer ist es, wenn man mit dem bekennenden homosexuellen Blogger, der sich selbst »Queen of all Media« nennt, gut Freund ist. Dazu zählen Angelina Jolie, die er gern als »Heilige« verherrlicht, und sein großes Idol Paris Hilton. Mit solchen Promis verkehrt er mittlerweile auf Augenhöhe, erzielt mit seiner Website, die zu den Top 150 in den USA zählt, einige Zehntausend Dollar Werbeeinahmen pro Monat und hat es auch zu einer eigenen Fernsehshow namens »What Perez sezabout« (Was Perez dazu sagt) bei dem Sender VH1 gebracht. Ein schöner Erfolg für einen jungen Mann, dessen Geschäftsmodell die symbiotische SM-Beziehung zu Promis ist.
    Um sich Leute wie Perez Hilton vom Hals zu halten, beschäftigen Prominente einen Putzerfisch der aggressiven Sorte: den Medienanwalt. Einer der bekanntesten hierzulande war lange Matthias Prinz, Sohn des ehemaligen Bild -Chefredakteurs Günter Prinz. Der Jurist zählt Berühmtheiten aller Kaliber zu seinen Mandanten und erstritt 2004 das berühmte Caroline-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Seitdem ist die Privatsphäre von VIPs deutlich besser geschützt. Prinz und Kollegen gerieren sich gern als Saubermänner, werden aber im Auftrag ihres erregten Klientels auch mal übergriffig. So setzte Prinz am 12. Januar 2011 alle neun ARD-Intendanten im Auftrag des hannoverschen Multimillionärs Carsten Maschmeyer mit einem 61-seitigen Schriftsatz unter Druck, in dem er sie aufforderte zu prüfen, ob ein Film des NDR – der wenige Stunden später ausgestrahlt werden sollte – die journalistische Sorgfaltspflicht erfülle. Maschmeyer, der seit seiner Liaison mit der Schauspielerin Veronica Ferres einem breiteren Publikum bekannt ist, war Gründer des Allgemeinen Wirtschaftsdiensts (AWD), deren Vertreter etliche Kleinanleger um ihr Erspartes brachten. Dass Journalisten seine Vergangenheit ausleuchteten, gefiel ihm überhaupt nicht. Sein juristisches Sperrfeuer fachte das öffentliche Interesse allerdings erst recht an, und »Maschi« machte bei all dem keine gute Figur.
    Dass der Job des gehobenen Dienstleisters für Wichtigtuer dazu führen kann, sich selbst ebenso wichtig zu nehmen, demonstriert ein anderer bekannter Medienanwalt. Er ging der Frankfurter

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