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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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Allgemeinen Sonntagszeitung mit seinen »Killer-Faxen« derart auf den Wecker, dass sie ihm eine eigene Glossewidmete. »Man habe ja«, persifliert ihn das Blatt, »bestimmt heute die irre Scheidungsgeschichte seiner Mandantin in der Bild -Zeitung gelesen, und jetzt wolle er nur schnell darauf hinweisen, dass das übrigens seine Mandantin sei und dass man seine Mandantin auf keinen Fall anrufen dürfe und über eine Geschichte über diese Scheidung noch nicht einmal nachdenken, denn da sei jetzt wirklich alles gesagt. Schreiben Sie doch darüber, wird Ihre Zeitung leider eingestellt. Kein Scherz.«
    So kann man auch berühmt werden.
Der Rüpel
    Ist laut, ordinär und beleidigt gern Leute. Eigentlich müsste man ihn mit dem Knigge für einige Jahre auf eine einsame Insel schicken, damit er dort in sich gehen und möglicherweise zu einem zivilisierten Menschen werden kann. Stattdessen darf der Rüpel öffentlich die Sau rauslassen – und wird dafür noch beklatscht. Zum Beispiel Dieter Bohlen. Der Niedersachse, früher Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und von Modern Talking, dem schwülstigen Pop-Duo mit Thomas Anders, wurde als ständiger freier Mitarbeiter der Bild weithin bekannt. Er versorgt das Blatt in schöner Regelmäßigkeit mit Pseudo-Skandalen aus seinem Leben und zwar nicht erst seit dem Rosenkrieg mit Verona Feldbusch, heute Pooth (→ Das Luder). Er behauptete, sie schlafe bis mittags und könne nicht kochen; sie behauptete, er habe sie geschlagen, was er bestreitet. Beim Verfassen seiner zweibändigen Biografie »Nichts als die Wahrheit« und »Hinter den Kulissen« ging ihm Katja Kesslerzur Hand, die Ehefrau des Bild -Chefredakteurs Kai Diekmann. Zu seiner Paraderolle fand Bohlen als Juror bei Castingshows, in denen er junge Leute zum Beispiel so abkanzelt: »Du stehst da wie eine Klobürste, siehst nicht aus wie ein Popstar und du wirst nie einer sein. Da guck ich lieber Fußpilz beim Wachsen zu. Du bist völlig langweilig.« Dafür wird er weithin bewundert, und kaum einer regt sich darüber auf, dass »ein blondgefärbter Ex-Sänger hoffnungsvolle Show-Talente mit Ansagen fertig macht, die üblicherweise als Beleidigungen geahndet werden, und dafür 1,2 Millionen Euro pro Casting-Staffel erhält«, wie der Personalfachmann Dirk Börnecke in seinem Buch »Die Gehälterlüge« schreibt.
    Bohlens Botschaften – jeder ist sich selbst der Nächste, und Rücksicht ist etwas für Weicheier – kommen erstaunlich gut an. 2003 schaffte es der Mann mit der näselnden Stimme und dem sonnenbankgegerbten Gesicht in einer Umfrage der ZDF-Show Unsere Besten auf Platz 30 der »größten Deutschen«. Die SPD-Politikerin Monika Griefahn hielt den Mann, der in ihrem Wahlkreis in Niedersachsen wohnt, sogar des Bundesverdienstkreuzes für würdig, er sei »ein Aushängeschild für Deutschland«. Armes Deutschland!
    Was ist nur dran an Bohlen, den das österreichische Magazin Datum so beschrieb: »Jeder seiner Sätze enthält irgendein Fäkalwort, seine brachial vorgetragene Meinung ist selbstgerecht, ignorant und von einem fast schon weltfremden, exorbitanten Selbstbewusstsein geprägt.« Eine interessante Theorie zu seiner Beliebtheit vertrat Daniela Katzenberger (→ Die Gummipuppe) in der Zeitschrift In : »Dieter ist ein Arschloch-Romeo. Das mögen Frauen doch.«
    Allerdings müssen die vom Arschloch-Romeo gern »Schnallen« genannten Frauen eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen, wenn sie sich mit ihm einlassen. Das jedenfalls behauptet sein in herzlicher gegenseitiger Abneigung mit ihm verbundener Ex-Kumpel Thomas Anders in dem Buch »100 Prozent Anders. Mein Leben – und die Wahrheit über Modern Talking, Nora und Dieter Bohlen«. Demnach müssen Frauen für Bohlen »vor allem schön und schlank sein, ansonsten haben sie die Klappe zu halten«. Im Verlauf der Beziehung enge der seine Freundinnen immer mehr ein. »Erst empfiehlt er den Mädchen, den Umgang mit ihren Eltern und Freunden einzuschränken, dann rät er ihnen, das alte Handy abzugeben. Sie erhalten dann ein neues, das er kontrolliert, und dann lässt er ihnen neue Brüste machen.«
    So wie sein ganzes Leben ist auch Bohlens öffentliches Rüpeltum kühl kalkuliert, wenig originell und dient vor allem einem Zweck: möglichst viel Geld zu machen. Darin ist er sehr erfolgreich: Obwohl er nichts Herausragendes kann, hat er es zu einem geschätzten Vermögen von 120 Millionen Euro

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