Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
höchstpersönlich in einer einmaligen Performance anpreist. Auch er hatte keine schöne Jugend, wie er selbst gern erzählt. Der Vater habe die Mutter im Rausch die Treppe hinuntergeworfen, sie sei an den Folgen gestorben. Der Sohn, damals 14, träumte sich daraufhin in eine bessere Welt und stieg später mit Hemden, die er aufrüschte, ins Modegeschäft ein. An Selbstbewusstsein – »Ich bin meine eigene Marke« – und Mut bei der Umsetzung eines sehr eigenen Schönheitsideals – tätowierte Augenbrauen, aufgespritzte Lippen, Brokatgewänder – mangelt es ihm nicht. Peter Richter, damals Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung , gab seinem Erstaunen einmal so Ausdruck: »Hinter Harald Glööckler steckt, glaube ich, entweder Tatjana Gsell, die nebenberuflich Karl Lagerfeld parodiert, oder ein Mann in der Rolle von Ute und/oder Chiara Ohoven, wenn die sich einen Vollbart umgeschnallt hat.«
Der so Beschriebene nimmt’s gelassen, denn er verfügt über eine bei Promis eher seltene Fähigkeit: Er kann das Business vom eigentlichen Leben unterscheiden. »Privat«, so Glööckler, »bin ich nicht so wahwahwah.«
Das gilt nicht für den buntesten Paradiesvogel, den Nachkriegsdeutschland hervorgebracht hat: Nina Hagen. Sie ist ein echtes Gesamtkunstwerk, eine großartige Sängerin und war das erste Girlie überhaupt. Legendär ihr Auftritt in der österreichischen Talksendung Club 2 , wo sie 1979 demonstrierte, wie Frauen es sich selbst besorgen können. Später wandte sie sich dem Hinduismus zu, taufte ihre Tochter auf den überkandidelten Namen Cosma Shiva und gab neben einigen klugen Dingen ungeheuer viel Stuss von sich. Hagen ist im reifen Alter immer noch in der Lage, an sich gefestigte Persönlichkeiten aus dem Gleichgewicht zu bringen. Als sie in der Sendung Menschen bei M aischberger einmal über Außerirdische schwadronierte, wusste sich der ZDF-Wissenschaftsjournalist Joachim Bublath – den sie bei der Gelegenheit als »Alien-Geschöpf« bezeichnet hatte – nicht anders zu helfen, als das Studio zu verlassen.
Hagens bislang jüngste Volte: Sie trat zum Christentum über und ließ sich mit 54 in einer evangelisch-reformierten Kirche im niedersächsischen Schüttorf taufen. Nun ist der Protestantismus kein ideales Biotop für Paradiesvögel, aber davon wird sich Nina Hagen, so viel ist sicher, nicht bremsen lassen.
Der Putzerfisch
Hat sich bei Prominenten unentbehrlich gemacht und bekommt, weil er sie ständig umschwärmt und pflegt, auch etwas von ihrem Ruhm ab – was er sichtlich genießt. Gelegentlich hadert er aber auch mit seiner Doppelrolle als Lakai einerseits und Semi-Berühmtheit andererseits. So wie Paul Sahner, Chefreporter der Bunten und »König des Klatsches« ( Neue Zürcher Zeitung ). Seinen Thron verdankt er einfühlsamen – böse Zungen sagen: schleimigen – Interviews mit Reichen, Schönen und Wichtigen. Sahners größte Leistung war es, den damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping 2001 zu beschwatzen, sich mit seiner Geliebten Kristina Gräfin Pilati beim Turteln in einem Pool auf Mallorca ablichten zu lassen, während die Bundeswehr kurz vor einem Einsatz in Mazedonien stand – was in Berlin keinen guten Eindruck machte und letztlich zu Scharpings Abgang führte.
Ein unglücklicher Kollateralschaden, wie Sahner später beteuerte. Tatsächlich beruht sein Job auf gutem Einvernehmen mit den Objekten seiner Berichterstattung, wie er in einem Gespräch für das Buch »Medienmenschen« verriet: »Es ist ein Geben und Nehmen, eine Art Symbiose zwischen Journalisten und Prominenten. […] Ja, wenn man ehrlich ist, handelt es sich tatsächlich um einen Deal, bei dem es für die Prominenten darum geht, ihren Marktwert zu steigern.« 4 Und den des Putzerfisches nebenbei gleich ein bisschen mit.
Weil seine Kundschaft häufig ebenso eitel wie unberechenbar und einfältig ist, gehören Wendigkeit, Duldsamkeit und intellektuelle Genügsamkeit zu den wichtigsten Tugenden des Putzerfisches. Damit gesegnet ist die auf mehreren Fernsehkanälen aktive »Society-Expertin« Sybille Weischenberg (Markenzeichen: zu viel Wimperntusche und affektiertes Getue). Sie erweckt gern den Eindruck, sie verfüge über Insiderwissen, und scheut sich nicht, Ferndiagnosen wie die folgende über den Windsor-Prinzen William zu stellen: »Er ist ein Außenseiter, ist introvertiert, aber überspielt das sehr geschickt. Und er hat viele Frauen gehabt – viel mehr, als die
Weitere Kostenlose Bücher