Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
Warmduscher ist noch nie weit gekommen im Leben.« Poltereien dieser Art machten den »alten Zausel« (so Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung ) weithin bekannt, was Sarrazin super fand.
Als er sich in seiner späteren Funktion als Bundesbankvorstand langweilte, schrieb er das Buch »Deutschland schafft sich ab«. Kernbotschaft: Intelligenz ist zu einem wesentlichen Teil erblich, und weil die von Natur aus dümmeren Moslems sich stärker vermehren als clevere Deutsche, steht unser Land vor dem Untergang. Einer seiner wichtigsten Zeugen ist der britische Anthropologe Francis Galton, Vater der hierzulande zu Recht in Verruf geratenen Eugenik. Was aber weder die Bild noch den Spiegel davon abhielt, Sarrazins Werk vorab in Auszügen zu veröffentlichen und so für die notwendige Aufmerksamkeit zu sorgen. Politiker aller Lager – von der Kanzlerin Angela Merkel (»äußerst verletzend, diffamierend und sehr polemisch zugespitzt«) bis zum sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel (»Seine ausländerpolitischen Aussagen atmen durch und durch den Geist nationaldemokratischer Überfremdungskritik«) – taten ihm den Gefallen, sich zum Thema zu äußern. Und halfen, das krude, hölzern geschriebene und hauptsächlich aus Zahlen bestehende Elaborat zum bislang meistverkauften Sachbuch seit 1945 in Deutschland zu machen.
Zupass kam dem SPD-Mitglied Sarrazin dann noch der gescheiterte Versuch, ihn aus der Partei auszuschließen. Der notorische Rechthaber genoss die Aufregung um seine Person sichtlich. Nur eine Sache ging ihm mächtig gegen den Strich: Die Bunte machte seinen ältesten Sohn Richard ausfindig, der in einem Berliner Plattenbau von Hartz IV lebte und sich als glücklichen Arbeitslosen darstellte: »Weil man dann sein Lebenstempo selber bestimmen kann.« Für seinen Vater sei er allerdings »der Sündenbock, das schwarze Schaf der Familie«.
Weil Sarrazin junior auf den Bunte -Fotos nicht nur krank aussah, sondern es auch war, ging Sarrazin erfolgreich gegen das Interview vor.
Den Zenit ihrer Karriere erreicht die Skandal-Nudel, wenn wirklich alle meinen, nicht mehr an ihr vorbeizukommen. Charlotte Roche schaffte das kurz nach Sarrazin mit einem ganz anders gearteten Werk, in dem der Leser vor allem etwas über das Sexualleben, die Neurosen und die Gedankenwelt der Heldin erfuhr, die auffällig viele Gemeinsamkeiten mit der Autorin zu haben scheint. Entscheidend aber war die Begleitmusik zum Roman »Schoßgebete«: Die Roche bekam in so vielen Medien so viel Gelegenheit, über ihr Buch und vor allem sich selbst zu sprechen, dass der Eindruck entstand, als Autorin habe sie nicht viel zu sagen, wie die FAZ anmerkte. Die »Seelen-Porno-Queen« ( Focus ) zog sich öffentlich aus und ignorierte den Rat ihrer Therapeutin, doch besser den Mund zu halten.
Roches Strategie mag nicht gesund für ihre Psyche sein, lukrativ ist sie allemal. Zwar wird insgesamt immer weniger gelesen, doch Skandal-Nudel-Literatur geht weg wie warme Semmeln – und je mehr darüber berichtet wird, desto aufregender muss sie wohl sein, denkt sich das Publikum. Die Roche beherrscht diese Art der PR mittlerweile aus dem Effeff.
Bekannt wurde sie Ende der Neunziger als eines der ersten Girlies mit ihrer originellen und später preisgekrönten Moderation der Sendung Fast Forward auf dem Musikkanal Viva. Harald Schmidt lobte sie als »Queen of German Pop Television«. Nachdem die Sendung 2004 eingestellt worden war, versuchtesie sich an anderen TV-Projekten, die aber letztlich erfolglos blieben. Um dann, Anfang 2008, mit ihrem ersten Roman »Feuchtgebiete« einen Überraschungserfolg zu landen. Der beeindruckte weniger durch seine literarische Qualität als wegen des sogenannten Tabubruchs. Die Ich-Erzählerin berichtete darin von ihren Hämorrhoiden, was zu erregten Debatten darüber führte, ob das toll, eklig oder einfach nur belanglos sei. Fest steht: Das Buch machte die Roche ungeheuer populär und wohlhabend.
So blieb sie in diesem Business. 2010 schaffte sie es mit einem unmoralischen Angebot in die Schlagzeilen: Falls der damalige Bundespräsident Christian Wulff (→ Der Grüß-August) sein Veto gegen die damals vom Parlament beschlossene Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke einlegte, ginge sie »mit ihm ins Bett«. Roches Ehemann war angeblich einverstanden, vermutlich, weil er wusste, dass er seine Großzügigkeit nicht unter Beweis würde stellen müssen. Der bemerkenswerte Kommentar zu der Luft-Nummer
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