Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
schließlich von der einvernehmlichen Täuschung des Publikums. Zudem haben die Stars gegenüber den Medien mächtig aufgerüstet. Ein Heer aus Spin-Doktoren, PR-Agenten und Anwälten sorgt dafür, dass auch ja nichts an die Öffentlichkeit dringt, was ein anderes als das gewünschte Licht auf die jeweilige Person werfen könnte. Die effektivste Form der Medienkontrolle betreiben nach wie vor die Hollywoodstudios mit ihren sogenannten Press Junkets: Schauspieler sind vertraglich verpflichtet, für die Filme, in denen sie auftreten, zu werben. Zu diesem Zweck werden sie Journalisten in irgendeiner Hotel-Suite zu Kurzinterviews am Fließband präsentiert. Was gefragt werden darf und was nicht, ist genau festgelegt. Tanzt ein Reporter aus der Reihe, greifen die Aufpasser ein.
Die freie Journalistin Gabriele Bärtels beschrieb ihre Erfahrungen mit solchen Terminen in einem Beitrag (»Einmal rein und raus«) für das Branchenblatt Journalist : »Um aus den 15 Minuten das Maximale rauszuholen, habe ich alle Fragen vorbereitet. Sie sollen sich auf den Film beziehen, sagt die PR-Frau nachdrücklich. […] Die Fragen sollen sich möglichst nicht auf den Film beziehen, sondern so privat wie möglich sein, sagt die Redakteurin, die mich beauftragt hat. Wenn es nach ihr geht, soll ich mich ohne Umschweife nach dem Liebesleben eines mir völlig fremden Menschen erkundigen. Eines prominenten Menschen, der abgeschirmt wird wie der Papst und angepriesen wie eine Luxusnutte. Während wir Journalisten zahlreich sind, gesichtslos bleiben, alle dieselben Fragen vorbereitet haben. Nicht weil wir so einfallslos wären, sondern weil Kritisches, Scharfes, Hintergründiges sowieso gestrichen wird.«
Da derartige Anlässe die einzige Gelegenheit sind, einen echten Star leibhaftig zu treffen, lassen die Redaktionen sie sich nicht entgehen. Ergebnis ist dann jeweils eine Welle von Veröffentlichungen, deren Kern mehr oder weniger gut getarnte Reklame ist. So war von Natalie Portman anlässlich ihres Ballettfilms »Black Swan« beispielsweise in der Neuen Westfälischen folgende Eloge auf ihren Regisseur zu lesen: »Es war ein großer Segen, von Darren Aronofsky nicht nur diese komplexe Rolle, sondern auch die Freiheit zu bekommen, meine eigenen Gedanken mit einfließen zu lassen. Die Zusammenarbeit mit ihm funktionierte fast schon auf telepathischer Ebene.« Ein zeitloses Zitat, das sich noch bei allerlei Gelegenheiten verwenden lässt – sofern die Portman den Namen des jeweiligen Regisseurs austauscht.
Für Journalisten, die noch nicht total verdrängt haben, warum sie den Beruf einst ergriffen haben, ist der Job des Werbe-Onkels für Berühmtheiten natürlich sehr unbefriedigend, vonder Bezahlung ganz abgesehen. Tom Kummer, der in den Neunzigerjahren für namhafte Blätter wie die Magazine von Süddeutscher Zeitung und Zeit aus Los Angeles berichtete, zog daraus seine ganz eigenen Schlüsse. Er begnügte sich nicht mit den Brosamen, mit denen man ihn und seine Kollegen abzuspeisen suchte, sondern fälschte Interviews mit Berühmtheiten von A bis Z. »Statt den Stars die vorgegebenen fünf Fragen zu stellen und ihre belanglosen Antworten aufzuschreiben«, so Kummer, »dachte ich mir lieber 30 tolle Fragen aus – und lieferte die Antworten gleich dazu.« Die Ergebnisse waren einigermaßen originell und wurden gern gedruckt; so ließ er Courtney Love über ihre Brüste sprechen, Mike Tyson über Nietzsche und Sean Penn über Kierkegaard.
Als seine Fälschungen im Jahr 2000 aufflogen, gab es einen mittelschweren Medienskandal. Einige leitende Redakteure, die ihn beauftragt hatten, verloren ihren Job. Man entschuldigte sich bei den Stars – die laut Kummer gegen die Fake-Interviews, in denen sie als kluge, nachdenkliche, originelle Menschen erschienen waren, nichts eingewendet hatten. Der Schöpfer dieser Werke verlegte sich danach auf einen Job als Paddletennis-Trainer in Los Angeles.
Für seine Verfehlungen – die er unter anderem mit der hanebüchenen Begründung verteidigte, es handele sich um »Realitätssteigerung durch Entfesselung der Fiktion« – musste Kummer büßen. Zu Recht, denn wer sich seine Storys ausdenken möchte, sollte Schriftsteller werden und nicht Reporter. Allerdings sollten Journalisten auch keine als Star-Interview getarnte Schleichwerbung machen. An dieser Unsitte hat sich aber nichts geändert. Hier eine Kostprobe aus der Süddeutschen Zeitung : »Freida Pinto ist in Wirklichkeit genauso schön wie in dem
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