Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode
als auch Unterhaltungswert verspricht: Es sind Figuren, die – aus welchen Gründen auch immer – im Rampenlicht stehen und für die sich das Publikum interessiert. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen von der Universität Tübingen diagnostiziert eine »kultische Verehrung von Prominenz« quer durch alle Mediengattungen. Und weist damit auf ein Kernproblem hin, denn: Verehrung mag eine gute Geschäftsgrundlage für Religionsgemeinschaften und Sekten sein – doch der Presse schadet eine solche Haltung. Sie wird ja gern als vierte Gewalt idealisiert, in jedem Fall ist diese Branche privilegiert, weil sie als unabhängige Beobachterin gesellschaftlicher Zustände eine wichtige öffentliche Aufgabe wahrnehmen soll. Journalisten, hat Siegfried Weischenberg, Medienwissenschaftler an der Universität Hamburg, einmal gesagt, sollten uns, »innerhalb der bekannten Grenzen der jeweiligen Medien, nach bestem Wissen und Gewissen, nach allen Regeln der Kunst, so objektiv und unparteilich wie möglich Informationsangebote machen«. Es sollten Leute sein, »auf die wir uns verlassen können, in einer Welt, in der uns an jeder Ecke irgendjemand etwas verkaufen will«.
Prominente wollen vor allem eines verkaufen: sich selbst. Dagegen ist aus der Sicht eines seriösen Mediums auch nichts einzuwenden, solange sie zusätzlich noch etwas Relevantes mitzuteilen haben und mehr können und wollen, als im Mittelpunkt zu stehen. Doch selbst Persönlichkeiten, die tatsächlich etwas geleistet haben oder ein wichtiges Amt bekleiden, gehen heutzutage meist allein aus Gründen der Eigenwerbung auf Sendung. Auch für sie gilt: Nur wenn ich ständig in den Medien auftauche, bin ich. So führt die Promi-Plage zu einer Häufung von Null-Nachrichten, die es nicht wert sind, veröffentlicht zu werden.
Dass es trotzdem getan wird, zeigt, wie infiziert der Journalismus vom Eitelkeits-Virus ist: Prominenz schlägt Relevanz. So ist es, um ein Beispiel herauszugreifen, ganz nebensächlich, ob sich zu den Millionen bei Twitter, die mehr oder weniger interessante Kurznachrichten in die Welt verschicken und auf eine große Gefolgschaft hoffen, eine weitere Person gesellt. Als dies aber im Sommer 2011 der Papst per iPad tat und auf einen neuen Nachrichtenkanal des Vatikans hinwies, brachten Medien rund um den Globus die Story. Man zitierte nicht nur seinen Tweet – den der Heilige Vater nach Auskunft von Federico Lombardi, Sprecher des Vatikans, zwar nicht eigenhändig geschrieben, aber immerhin eigenhändig abgeschickt habe (»Liebe Freunde, ich habe gerade news.va gestartet. Gelobt sei unser Herr Jesus Christus. Mit meinem Gebet und Segen. Benediktus XVI.«). Es wurden auch allerorten Fotos und ein Video dieses angeblich historischen Moments gezeigt. Dort sieht man den Greis im vollen Ornat, wie er, umgeben von Angehörigen der Kurie, am Touchscreen seines Tablet-Computers herumfingert. Reiner Nonsens.
In der Endlosschleife
Der Promi-Kult führt nicht nur dazu, dass die Medien voller überflüssiger Berichte über Leute mit klingendem Namen sind. Mittlerweile herrscht in vielen Redaktionen die Meinung vor, Themen jedweder Art ließen sich überhaupt nur mithilfe bekannter Gesichter vermitteln. Bestes Beispiel ist der – vom Bundesverfassungsgericht mit einem Auftrag zur Grundversorgung mit Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsprogrammen versehene – öffentlich-rechtliche Rundfunk und besonders die ARD. Das Erste setzt seit Herbst 2011 in einer von der ARD-Vorsitzenden Monika Piel so genannten Informations-Offensive vor allem auf Talkshows. An fast jedem Tag werden die Zuschauer von Günther Jauch, Frank Plasberg, Sandra Maischberger, Anne Will und Reinhold Beckmann – den bekannten und außerordentlich gut bezahlten Stars des gebührenfinanzierten Fernsehens – heimgesucht. Symptomatisch für die Promi-Fixierung des Senders ist, dass bis auf Plasbergs Hart aber Fair alle Sendungen nach den Moderatoren benannt sind. Ihr Name ist Programm, als menschliche Marken stehen sie für sich. Konkurrieren aber untereinander um Gäste; eine übergreifende ARD-Datenbank soll dafür sorgen, dass die eine Redaktion der anderen einen bereits angefragten Promi nicht wegschnappt.
Nun könnte man meinen, dass so viel Wettbewerb das Geschäft belebe und nun allerlei frische Persönlichkeiten in überraschender Weise über wichtige Themen ins Gespräch kämen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Alle diese Talkshows beruhen auf dem gleichen Prinzip:
Weitere Kostenlose Bücher