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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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befragt, dass ihr die Bevölkerung dort »nicht so arm« vorgekommen sei. Und über die Rebellen: »Die wissen nicht, was sie tun.« Danach wurde sie umgehend von der Telefonfirma gefeuert.
    »Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können, das macht den Journalisten.« 10 Dieses pressekritische Motto von Karl Kraus machen sich viele Mitglieder der sogenannten Society zu eigen und behelligen die Umwelt unentwegt mit eitlem Unsinn. So versuchte beispielsweise Elisabeth Prinzessin von Thurn und Taxis, die selbst als Journalistin arbeitet, der Augsburger Allgemeinen weiszumachen, wie segensreich sie als fromme Katholikin in der Bussi-Bussi-Gesellschaft wirke: »Im Moment, so glaube ich, möchte Gott, dass ich voll im Leben stehe und einem verlorenen Teil der Gesellschaft zeige, dass man auch im Jetset, der Mode- und Kunstwelt mit seiner Spiritualität nicht fehl am Platz ist.«
    Das Allermeiste, was bekannte Leute anstellen, um sich im besten Licht zu präsentieren, müsste in einer besseren Welt als Beleidigung der Intelligenz des Publikums unter Strafe stehen. Dazu zählt etwa Friedrich Merz, einst CDU-Finanzpolitiker und Propagandist der Steuererklärung in Bierdeckel-Format, der glaubte, sich unbedingt eine wilde Jugend herbeifantasieren zu müssen. Der in der sauerländischen Provinz Aufgewachsene erzählte dem Berliner Tagesspiegel , dass er in jungen Jahren als Langhaariger mit dem Motorrad durch seinen Heimatort Brilon gebrummt sei – »im Wettlauf mit der Polizei« und immer »ohne Nummernschild«. Pech für Merz: Ein alter Schulkamerad widersprach in einem Leserbrief an die Zeit vehement: »Schulterlange Haare? Merz? Nie im Leben! Unser Kumpel hatte schon immer die Frisur, die er heutzutage trägt.« Auchhabe der weder ein Motorrad noch ein Moped oder Mofa besessen.
    Ähnlich verzweifelt war offenbar auch Jennifer Aniston wegen ihres Rufes als kreuzbraves Mädchen. Jedenfalls fühlte sie sich bemüßigt, der Elle von ihrer angeblich dunklen Seite zu berichten: Sie raste gelegentlich aus und habe einen Regisseur schon mal mit einem Stuhl beworfen (ohne zu treffen). Wer’s glaubt, wird selig.
    Allzu vielen Prominenten und ihren Spin-Doktoren fehlt das Talent für die vom PR-Mann und Berufszyniker Klaus Kocks so genannte fiktionale Glaubwürdigkeit , also die Kunst der stimmigen Inszenierung. Rollen sollten typgerecht besetzt sein, Dialoge lebendig, Geschichten überzeugend. Das sind Qualitätskriterien populärer Theaterstücke, Romane, Filme – und da es im Celebrity Business auch um Entertainment geht, sind daran die gleichen Ansprüche zu stellen. Die aber werden nur selten eingelöst, weil die Beteiligten nicht willens oder in der Lage sind, ihr Schmierentheater einigermaßen ordentlich aufzuführen. So ist der Unterhaltungswert der Prominenz äußerst bescheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Society-Reporter krampfhaft als seriöse Journalisten erscheinen wollen, weshalb ihre Berichte oft künstlich wirken. In Literatur und Film gibt es viel besseren Stoff: Fiktion, die nicht so tut, als operiere sie mit Fakten – und deshalb viel näher an der Wirklichkeit ist als die Promi-Farce.
Der Ekel-Faktor
    »Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie!« Dieses Bonmot Otto von Bismarcks lässt sich umstandslos auf die Eitelkeitsindustrie übertragen. Wüssten die Leute, wie Storys über Stars und Sternchen zustande kommen, wendeten sich viele unangenehm berührt ab. Deshalb achten die Verantwortlichen peinlich darauf, dass dies nicht passiert. Zwar hat das Publikum immer wieder mal den Eindruck, an der Nase herumgeführt zu werden – aber kaum einer weiß, wie verlogen und schmutzig das Promi-Business wirklich ist. Umso aufschlussreicher die Momente, in denen doch ein Blick hinter die Kulissen gelingt. Einen verdanken wir Michael Kneissler. Der Journalist hatte im Frühjahr 2000 den Schauspieler Heiner Lauterbach – damals noch auf die Rolle des häufig alkoholisierten Machos abonniert – kurz nach dessen Trennung von der Heidekönigin Jenny Elvers besucht, um ihn für die Bunte zu interviewen. Der Text erschien mit dem klingenden Titel »Ein Star zwischen Wodka und Weinen«. Allerdings beklagte sich Lauterbach später gegenüber dem Spiegel bitter über Kneissler: »Der kam rein, als wäre er mein allerbester Kumpel, charmant und freundschaftlich. Als wäre er vorbeigekommen, um einfach nur zu quatschen, so unter Männern. Eine Masche, ein Trick,

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