Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
Umschlag in meine Tasche gesteckt. Meine Geschäftspartnerin hat heute Nachmittag zu mir gesagt, es ginge nicht immer nur um mich. Ich würde mich gerne ihrer Meinung anschließen und denken, dass es nicht meine Schuld ist, was Teagan zugestoßen ist. Dass keiner einem hübschen jungen Mädchen und seiner Familie etwas angetan hat, um mir eine durchgeknallte Nachricht zu schicken. Aber wenn es nicht um mich geht, worum zum Teufel geht es dann?«
32
Eine halbe Stunde später hatte Rachel sich zwar seitenweise Notizen gemacht, aber keine Antworten auf Livs Fragen gefunden. Diesmal wirkte es nicht wie eine Befragung, Liv schien nun vom verzweifelten Opfer zum Opfer mit Hintergedanken geworden zu sein, das vielleicht einen Hinweis geben konnte. Rachel ging die Liste der Personen durch, die Liv unter den Schaulustigen erkannt hatte. Sie kannte nicht alle beim Namen, also hatte sie manche nur in Stichworten beschrieben: rothaariger Mann aus der Bank, der gepiercte Junge aus dem Musikladen, der glatzköpfige Bäcker, die gefärbte Blondine aus der Boutique für Abendgarderobe.
»Zweiundzwanzig. Sie erinnern sich angesichts der prekären Lage an ziemlich viele Leute. Ich bin beeindruckt.«
»Danke. Ich habe ein neues Talent entwickelt. Ich könnte Ihnen sagen, dass der rote Honda draußen neben meinem Auto heute Nachmittag auch vor der Schule stand, dass der kürzeste Weg zu Cameron um den Tisch führt und dass das Café über einen Notausgang durch die Küche verfügt.«
Rachel schien auch davon beeindruckt.
Liv beobachtete, wie Cam mit Mitch auf einem riesigen roten Sitzsack herumturnte. Sie wusste auch, dass sie einen Stuhl hochheben und ihn werfen konnte, wenn es sein musste, und dass im Besteckkasten an der Theke Messer lagen. Der Gedanke, jemandem ein Messer reinzurammen, war unfassbar, aber sie würde keine Sekunde zögern, wenn es darum ginge, ihren Sohn zu beschützen.
»Haben Sie vor Teagans Unfall mit Daniel gesprochen?«, fragte Rachel.
»Ich habe ihn heute Morgen gesehen.«
»Bevor Sie ins Büro gekommen sind?«
Liv zog kurz die Augenbrauen zusammen. »Nein, in seinem Büro.«
»Worüber haben Sie mit ihm geredet?«
Sie zögerte. Musste Rachel unbedingt wissen, dass Daniel sie gestern Nacht auf ihrem Sofa zugedeckt hatte? »Ich habe nur kurz meinen Kopf zur Tür reingesteckt und guten Morgen gesagt. Warum?«
»Ich stelle bloß Fragen.«
»Nein. Sie fragen mich über Daniel aus. Was bezwecken Sie damit?«
Rachel antwortete nicht.
»Ich habe ein Recht, es zu erfahren.«
Sie legte ihren Stift beiseite. »Hören Sie, eine Ermittlung ist wie ein riesiges Puzzlespiel. Ich schaue mir nur die Teile an.«
»Und Sie denken, Daniel ist einer davon?«
»Momentan ist jeder in Ihrem Leben ein Teil davon. Ich versuche herauszufinden, wo sie alle hingehören.«
Liv wusste, wo Daniel reinpasste. Er war ihr im Parkhaus zu Hilfe geeilt, hatte in ihrem Haus Sicherheitsschlösser angebracht, es überprüft, ihr Gesellschaft geleistet, sich vergewissert, dass sie noch lebte. Das war mehr, als die anderen Puzzleteile in ihrem Leben vergangene Woche für sie getan hatten. »Er hat sich um Teagan gekümmert, als sie auf den Lieferwagen gestürzt war.«
»Ja, ich weiß. Sie hatte Glück, dass er zur Stelle war.« Sie sah Liv noch einen Augenblick länger an, als wollte sie noch etwas sagen. »Ich würde mir gerne die Nachricht ansehen, die in Ihrer Tasche war.«
Liv beobachtete Cameron und Mitch, während Rachel Handschuhe aus einer Tasche zog und den Stiel ihres Löffels als Brieföffner nutzte. Als Liv das Blatt sah, schossen ihr die Tränen in die Augen.
Jemand hatte Teagan in ihrem grünen Mantel fotografiert, wie sie durch den Notausgang auf die Fahrbahn trat. Das Foto war auf ein leeres Blatt kopiert, und der Absender hatte diesmal eine Tastatur für die Nachricht benutzt.
Livia, hast du es JETZT kapiert?
Es ist eine gefährliche Welt.
Hast du Angst?
»Ich hatte im zweiten Stock, aber am anderen Ende geparkt«, sagte Liv. »Vielleicht hat er Teagan gesehen und … und, ich weiß es nicht. Konnte nicht warten.«
»Danach klingt es aber nicht. Ich glaube kaum, dass er Sie treffen wollte.«
»Mom?« Liv drehte das Blatt um, als Cameron seinen Kopf unter ihren Arm schob. »Gehen wir bald?«
Sie hätte ihn am liebsten unsichtbar gemacht. »Einen Moment, Schatz. Hol schon mal deine Zeichnung, dann können wir sie zu Hause an den Kühlschrank hängen.« Mitchs Mutter packte ihren Laptop zusammen und wies den
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