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Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Titel: Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
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festhalten musste. Es war kein freundlicher Griff, sondern ein entschlossener, mit dem er sie an die Wand schob. Sie spürte sie an ihrem Rücken, drückte sich dagegen und hoffte, auf den Beinen zu bleiben. Das hätte vielleicht geklappt, wenn ihre Beine sie getragen hätten. Doch sie gaben unter ihr nach, und sie sank zu Boden, ließ ihren Kopf auf die Knie sinken und begann zu weinen.
    Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bevor sie Daniel wahrnahm. Er musste in der Zwischenzeit weggegangen und wieder zurückgekommen sein, denn jetzt hielt er zwei Gläser mit einer gehörigen Portion bernsteinfarbener Flüssigkeit in der Hand. Er hielt ihr eines hin.
    »Was ist das?«
    »Scotch.«
    Sie trank einen kräftigen Schluck und zuckte zusammen, so brannte er in ihrer Kehle.
    »Noch einen«, forderte er sie auf.
    Sie folgte seiner Anweisung, und die Wärme linderte ein wenig das Zittern.
    »Wollen Sie darüber reden?«, fragte er.
    Sie wollte nicht. Doch die Worte sprudelten aus ihr heraus, sie erzählte haarklein, was am Nachmittag passiert war. »Sie hat ihn Zwerg genannt. Thomas hat ihn nie Zwerg genannt. Sie hat einen Spitznamen für ihn, und ich wusste nichts davon. Ich wollte sie als wehleidige, selbstgerechte Schlampe sehen, dabei hat sie ihm gesagt, dass er mich umarmen soll. Herrgott, sie ist so verdammt jung. Und so nett. Und schwanger.«
    »Was hat die Schwangerschaft damit zu tun?«
    Sie erzählte es ihm. Sie erzählte von den erfolglosen Befruchtungsversuchen. Dass es insgesamt vier gewesen waren und der letzte eine Woche vor Thomas’ Auszug stattgefunden hatte. Und davon, wie erleichtert er gewesen war, dass er nicht bleiben musste, weil sie kein Baby bekommen würde. Dass er alles mitgenommen hatte. Und selbst die Diagnose ihres Vaters sich angefühlt hatte, als sei er auch daran schuld.
    Sie schrie. Sie heulte. Sie warf mit hässlichen Worten um sich. Irgendwann hörte sie auf. Stille herrschte im Zimmer, nur der Regen prasselte noch immer auf das dünne Blechdach. Daniel saß neben ihr. Es dauerte eine ganze Weile, bis er das Schweigen brach.
    »Geht es jetzt besser?« Die Art und Weise, wie er das sagte, klang, als hätte er begriffen, dass ihr Ausbruch wie eine Befreiung war. Vielleicht hatte er recht. Irgendwas schien sich gelöst zu haben.
    »Ich weiß noch nicht.«
    »Brauchen wir mehr Scotch?«
    »Wie viel haben Sie noch?«
    »So viel, dass Sie noch ein paar Stunden so weitermachen können.«
    »Bringen Sie mich um, falls ich so lange brauchen sollte.«
    Als er durch den Raum ging, um die Flasche zu holen, sah sie sich um. Es war eine typische Männerwohnung – dunkles Holz, kahle Wände, kein Schnickschnack, bis auf ein paar Fotos auf einem Regal, die sie aber nicht erkennen konnte, weil sie zu weit weg waren. Aber offensichtlich war er auch Hausmann – er hatte einen Tisch für sechs Personen, genug Platz auf den Sofas für eine Familie, Kissen, Vorhänge, Couchtisch, einen großen Teppich. Die Küche sah recht neu aus. Von der Stelle auf dem Fußboden, an der sie saß, sah sie Gläser auf einem Regal, neben dem Herd ein paar Gewürze. Das Haus war sauber und organisiert, es gab kein Durcheinander, vielleicht war es sogar ein wenig zu pingelig. Vielleicht die typische Ordnung eines Feuerwehrmannes.
    Er reichte ihr ein Handtuch und schenkte ihnen noch einen Schluck Scotch ein. Sie lächelte dankbar und fragte sich, was er wohl dachte, während sie sich über das Gesicht und die Haare fuhr. Es schien ihn nicht zu stören, dass sie auf dem Boden saßen und keinerlei Anstalten machten, sich irgendwo hinzusetzen, wo es bequemer war. Vielleicht saß er ja immer auf dem Boden.
    »Wollen Sie noch einen?«, fragte er.
    »Nein danke. Mir ist schon ganz schummrig. Es fühlt sich großartig an. Tut mir leid wegen dem Fußboden.« Sie deutete auf die nassen Schuhabdrücke, die sie hinterlassen hatte.
    »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie es endlich erwähnen würden.«
    »Soll ich es wegmachen?«
    »Nee. Sie könnten Ihre Schuhe ausziehen und das restliche Wasser über das Sofa gießen.«
    Sie lächelte ein wenig.
    »Also, was meinen Sie, Puncher? Haben Sie genug?«
    »Ja, ich habe genug.«
    Er wandte sich ihr zu und wartete, bis ihre Blicke sich trafen. »Gut.«
    Sein Blick glitt über ihr Gesicht. Langsam, als wollte er sich ihre Gesichtszüge einprägen. Sie spürte, dass ihre Augen geschwollen waren, die Haut sich immer noch empfindlich über den Verletzungen spannte, ihr feuchtes Haar klebte an ihren

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