Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Titel: Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
Vom Netzwerk:
vor sich hertrug.
    Liv starrte zurück, nur das Trommeln des Regens war in der Stille zu hören. Sie standen sich nicht zum ersten Mal gegenüber. Doch es war das erste Mal ohne Thomas. Hätte sie es geplant, wäre sie nicht völlig durchnässt mit tropfenden Haaren und ohne Make-up auf dem zerschundenen Gesicht aufgetaucht. Sie hatte keine Ahnung, was Michelle durch den Kopf ging – vielleicht Misstrauen, vielleicht Triumph, möglicherweise Angst –, sie hob ihre blasse Hand und legte sie auf den Babybauch.
    Liv senkte den Blick. »Tut mir leid, dass ich einfach so auftauche. Aber ich kann nicht … Ich bin nicht …« Sie holte Luft und hob das Kinn. »Kann Cameron heute Nacht hierbleiben?«
    Michelle sah Cam an, als hätte sie ihn bisher nicht bemerkt, und zog dann die Sicherheitskette weg. »Komm rein.«
    Liv reichte Cameron die Schultasche, als er hineinschlüpfen wollte.
    »Beide«, sagte Michelle.
    Cameron stand zwischen ihnen, hatte einen Fuß im Haus, den anderen immer noch auf der Türschwelle. Sie hätte sich verabschieden sollen. Und zwar schnell, bevor sie in tausend Stücke zerbrach.
    »Geht es um …?«, fing Michelle an, doch Liv schüttelte warnend den Kopf. Sie schien die Botschaft verstanden zu haben. »Weiß Thomas es schon?«
    »Nein. Kannst du Thomas ausrichten, dass er vielleicht morgen auch noch bei euch übernachtet?«
    »Oh, Mom«, sagte Cameron.
    »Vielleicht. Wir werden sehen.« Sie versuchte ein hoffnungsvolles Lächeln aufzusetzen, spürte aber, wie sich ihr Gesicht verzerrte, und drehte sich schnell weg, damit er es nicht sah.
    »Na, dann komm rein, du Zwerg, und zieh deine nassen Klamotten aus.« Michelles Stimme klang jetzt lebhafter, doch ihr Gesichtsausdruck war immer noch unsicher. »Umarme deine Mom und stell deine Schuhe und den Rucksack in die Wäschekammer.«
    Cam schlang seine Arme um Livs Hals, hielt sie fest und flüsterte ihr ins Ohr: »Muss ich das?«
    Sie hatte Angst, ihn zu erdrücken, wenn sie ihn zu fest umarmte. Sie löste seine Finger, küsste sie, küsste ihn auf die Wange. »Ich hab dich lieb, Cam. Vergiss nicht, was ich dir im Auto gesagt habe. Geh jetzt und tu, worum Michelle dich gebeten hat.« Sie wartete, bis er auf dem Flur verschwunden war, und sagte dann schnell: »Er hat vor circa einer halben Stunde ein großes Milchshake getrunken, also …«
    »Livia, das ist doch lächerlich. Es schüttet. Du kannst es mir auch drinnen sagen.« Michelle zog sie hinein, schloss die Fliegengittertür und ließ die Haustüre offen.
    Liv zwang sich, nicht den Flur entlang zu sehen. Sie wollte nicht sehen, wie sie ihr Leben verbrachten.
    Dann sagte Michelle leise: »Ist irgendwas passiert?«
    »Nein. Ich … Ich muss nur unbedingt was erledigen. Cameron hat schon eine Kleinigkeit gegessen, er wird also eine ganze Weile keinen Hunger haben. Er muss noch Hausaufgaben machen und hat eine Geburtstagseinladung im Rucksack.«
    »Livia, da stimmt doch etwas nicht. Wenn alles in Ordnung wäre, wärst du doch nicht hier.«
    Liv sah auf und erwartete einen vorwurfsvollen Blick, stattdessen sah Michelle besorgt drein. Doch das änderte nichts. »Thomas hatte recht, sag ihm das. Cam ist bei mir nicht sicher.«
    Michelle legte wieder ihre Hand auf den Bauch. »Mach dir keine Sorgen. Wir kümmern uns um ihn. Aber was ist mit dir? Mit deiner Sicherheit?«
    Was war damit? Und was hatte es zu bedeuten, dass der einzige Mensch, der sie heute Abend danach fragte, die Frau war, die sie verachtete? »Ich möchte Cameron wieder mit nach Hause nehmen, also muss bei mir auch alles wieder in Ordnung kommen.«
    Sie ging, ohne sich zu verabschieden. Fuhr los und umklammerte das Lenkrad. Furcht, Schmerz und Wut brannten in ihr und ließen die Tränen versiegen, die auf der Türschwelle fast aus ihr herausgequollen wären.
    Zu Hause ließ sie das Garagentor offen, knallte die Wagentür zu und hoffte, das Schwein wartete drinnen auf sie. Sie hatte das alles so satt. Sie hatte ihn satt. Sie hatte ihr verdammtes Leben satt. Sie griff nach dem Schirm und überlegte, damit auf etwas einzuschlagen. Das konnte sie jetzt. Er hatte ihr auch den Sohn genommen.
    Sie ging durch das Haus, tauschte den Schirm gegen den Baseballschläger, strich durch das Erdgeschoss, legte ihn auf die Schulter und kontrollierte dann den ersten Stock. Niemand da. Leer. Nur sie. Alleine.
    Reiß dich zusammen, Liv. Reiß dich zusammen. Lass es nicht zu. Aber dann tat sie es doch, rannte ins Bad und erbrach saure Galle in die

Weitere Kostenlose Bücher