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Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Titel: Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
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muss man dieses Gefühl überwinden und anfangen darauf zu hören. Dazu muss man wissen, dass Angst einen übervorsichtig und überaufmerksam macht, was gut ist, wenn man sich in Lebensgefahr befindet. Ich gehe mal davon aus, dass Ihr Gehirn seit Montagabend jeden dunklen Ort als bedrohlich einstuft.«
    Sie sah wieder nach draußen und nickte.
    »Es fühlt sich Angst einflößend an, doch im Grunde ist es nur Ihr Gehirn, das Sie zur Vorsicht mahnt, damit Sie in der Dunkelheit nicht wieder überrascht werden. Die Zettel sind ein weiterer Grund, Angst zu haben. Nutzen Sie also Ihre Angst, um sich in Sicherheit zu bringen und sich selbst ein wenig innere Ruhe zu verschaffen. Lassen Sie die erhöhte Wachsamkeit ihre Arbeit tun.«
    Er wusste, wovon er sprach, und es klang auch einleuchtend, positiv und praxisnah. »Und wie soll ich das anstellen?«
    »Das unmittelbare Umfeld gibt viel Sicherheit. Sie sind aber erst vor ein paar Wochen hier eingezogen und vermutlich noch nicht sehr vertraut hier. Lernen Sie Ihre Umgebung besser kennen. Machen Sie sich mit dem Alltag vertraut. Was gibt es hier und was nicht. Was können Sie von verschiedenen Stellen aus gut überblicken, was hören und riechen Sie.« Während er das sagte, drang ein schwaches Licht aus einem Nachbargarten in die Garage und warf einen weichen Glanz an die Decke. Daniel richtete seinen Kopf auf. »Finden Sie heraus, wer Ihre Nachbarn sind, welche Autos sie fahren, wie ihre Kinder und Haustiere aussehen, wo sie ihren Müll hinstellen. Die Details. Und wenn irgendwas nicht so aussieht wie sonst, wird Ihnen das auffallen, und Sie werden reagieren.«
    Liv hob erneut ihren Blick zu den Fenstern und fragte sich, wie sie reagieren sollte.
    »Der Einsturz einer Höhle beginnt mit einem Knacks, Liv. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Seien Sie aufmerksam und bereit, auf der Stelle zu verschwinden.«
    Zum ersten Mal, seit Liv eingezogen war, fühlte sie sich in ihrem Haus geborgen. Bevor Daniel gegangen war, hatte er die Wohnung für sicher erklärt, und so hatten sich ihre Muskeln, die den ganzen Tag vor Angst angespannt gewesen waren, etwas gelockert. Das Unbehagen war trotzdem nicht völlig gewichen. Der Gedanke, dass irgendjemand sie beobachten könnte und sie sich über ihre Sicherheit Gedanken machen musste, lag wie Blei auf ihrer Seele. Sie prüfte, bei welchen Nachbarn das Licht brannte, beschränkte sich auf ein Glas Weißwein und ihr Käse-Gurken-Abendessen, sah fern und lauschte mit einem Ohr auf die Geräusche von der Straße. Doch schließlich überkam sie die Müdigkeit, und irgendwann zwischen einer Polizeiserie und den Spätnachrichten schlief sie auf dem Sofa ein.
    Sie wurde von Bennys Gebell geweckt. Oder vielmehr von ihrem kahlköpfigen Nachbarn, der sie aus dem Schlaf riss, als er das Licht in seinem Garten anmachte und schrie: »Hey, Benny, was ist das für ein Lärm?«
    Liv wurde klar, dass der Hund schon eine ganze Weile gebellt haben musste, doch sein Bellen war im Wirbel von Pistolenschüssen, einer Verfolgungsjagd im Auto und einem Militäreinsatz im Fernsehen untergegangen. Sie stand auf, rieb sich die Augen und sah, dass die obere Hälfte des alten Bettlakens, das über dem hinteren Fenster hing, wie ein Bildschirm beleuchtet war. Sie spülte den leeren Teller und das Glas im Spülbecken aus, hörte Benny bellen, duckte sich, spähte unter dem Rollladen vor dem Küchenfenster hindurch und sah einen Schatten, der durch den Lichtkegel lief.
    Herrgott, war jemand in ihrem Garten?
    Das Wasser lief über ihre Hand und durchnässte den Ärmel ihres Sweatshirts. Sie drehte den Wasserhahn zu, huschte schnell zu einer Seite des Fensters und spähte hinaus. Kam der Schatten aus ihrem Garten oder aus dem von nebenan?
    »Hey, Benny! Komm her!« Der Ruf klang wütend. Das Bellen hörte auf.
    Liv blieb beim Fenster stehen und wünschte, ihre Angst würde ihr eingeben, was zu tun war, statt dafür zu sorgen, dass ihr Herz wie wild in der Brust schlug. Dann sah sie ihn. Den Schatten. Gefolgt von einem Glatzkopf. Trevor, ihr Nachbar, ging durch seinen Garten.
    Sie wartete, bis er durch seine Fliegengittertür verschwunden war, machte dann die Lichter in ihrem Garten an, hob das Leintuch am Fenster und spähte nach rechts und links.
    Nichts. Sie überprüfte die Schlösser, rüttelte an der Tür. Ging zum Küchenfenster, überprüfte noch einmal die Eingangstür und zerrte am Riegelschloss.
    Liv, hier drinnen bist du sicher. Das hat Daniel gesagt.

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