Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
Geh ins Bett. Schlaf ein wenig.
Doch das konnte sie nicht. Jedenfalls nicht lange. Sie schreckte immer wieder im Schlaf hoch, wenn eine Hand sich auf ihren Mund legte und ihr Gesicht auf den Wagen knallte. Einmal saß sie bereits aufrecht im Bett und keuchte heftig.
Dann war da ein Hund in dem Parkhaus. Sie konnte ihn nicht sehen. Hörte nur, dass er unaufhörlich bellte, als sie durch die Dunkelheit lief und dann jemand eine Hand auf ihren Mund presste. Dann blinzelte sie im Lichtstreifen aus ihrem Badezimmer. Der Hund bellte immer noch. Ein langer, unaufhörlicher Strom von Geräuschen.
Sie rollte zur Seite, ihr Pyjamaoberteil war nass geschwitzt. Sie hatte nie einen Hund gehabt. In der Wohnung über der Sporthalle waren Haustiere nicht erlaubt, und Thomas hatte kein Interesse daran gehabt. Was bellten Hunde im Dunklen an? Beutelratten? Fledermäuse?
Menschen?
Sie setzte sich auf und spähte in den Garten herab. Die Lichter waren aus, doch sie konnte trotz der Dunkelheit Umrisse erkennen. Die Linie ihres Zaunes, das Dach des Reihenhauses der Nachbarn, das Viereck ihres Gartens. Benny war ein kleiner Fleck, der sich in der Dunkelheit bewegte.
Sie lehnte ihre Stirn an das kühle Glas und sah ihm zu. Er bellte und lief an ihrem Zaun entlang, von einer Seite zur anderen, hin und her, ab und zu stürmte er zur Mitte. Nach zehn Minuten gab sie auf herauszubekommen, was ihn so verrückt machte, schlüpfte unter die Decke und hörte ihm noch lange zu.
Benny, was bellst du da an?
14
Das Telefon klingelte, und sie riss die Augen auf. Sie griff blind in der Dunkelheit danach und war sauer, dass jemand sie weckte, nachdem sie gerade eingeschlafen war.
»Hallo?«
»Livia, hier ist Ray Hepple. Tut mir leid, dass ich dich so früh anrufe.«
»Wer?«
»In dein Büro wurde eingebrochen. Du musst sofort herkommen.«
Ray Hepple. Ach, der Ray von der Instandhaltung. Sie räusperte sich. »Wurde was beschädigt?«
»Ja, du solltest vorbeikommen und es dir ansehen. Die Polizei ist auch schon unterwegs.«
Sie sah auf die Uhr neben dem Bett. Sechzehn Minuten nach fünf. »Okay. Wir treffen uns in zwanzig Minuten.«
Liv und Kelly wechselten sich ab, wer im Notfall erreichbar sein sollte. Als sie das Gebäude bezogen hatten, wurde in zwei anderen Büros weiter vorne ständig durch die Schaufenster eingebrochen. Einmal waren Rowdys durch den Eingang gestürmt und hatten sämtliche Türen im Gang zertrümmert; als die Polizei kam, hauten sie ab. Der Eigentümer hatte es schließlich satt, ständig für neue Fenster zahlen zu müssen, und hatte irgendwann bruchsicheres Glas installieren lassen. Es hatte danach noch einige Einbrüche gegeben, doch das war schon länger her.
Liv zog Jeans und ein warmes Oberteil an und spürte das Unbehagen, das in ihr aufstieg, als sie das Licht anmachte. Sie nahm ihre Handtasche und die Schlüssel vom Küchentresen und spähte vorsichtig in den dunklen Garten. Der Hund bellte nicht mehr.
An der Tür zur Garage blieb sie stehen und zögerte einen Augenblick, fummelte am Riegel herum, den Daniel angebracht hatte, und hielt plötzlich inne. Was, wenn jemand über Nacht hereingekommen war und nur darauf wartete, dass sie die Tür öffnete?
Seien Sie auf der Hut und stets bereit, so schnell wie möglich zu verschwinden . Sie öffnete die Tür zum Schrank unter der Treppe. Auch darin standen Kisten. Ein Fußball, Camerons Regenmantel, ein paar Baseballkappen, ein Bügelbrett. Ein Schirm. Ein großer Golfschirm mit schwerem Holzgriff.
Liv nahm ihn in ihre unverletzte Hand, drückte mit der anderen Hand auf den Lichtschalter und riss die Tür zur Garage auf. Niemand war zu sehen. Ein Adrenalinstoß durchflutete sie, als sie hinaustrat. Auf der Seite, an der ihr Auto stand, war niemand zu sehen – jetzt war sie froh, dass sie die Kisten an die Wand geräumt hatte. Sie hielt den Schirm fest in der Hand, sodass sie ihn wie einen Knüppel schwingen konnte, und lief vorsichtig um den Wagen herum. Es war niemand zu sehen.
Nur sie war da, doch sie fühlte sich wackelig auf den Beinen, nervös und ein wenig überdreht.
Um diese Zeit Auto zu fahren war denkbar gruselig. Für Partygänger war es schon zu spät, für Arbeiter noch zu früh. Die Straßen waren dunkel und fast menschenleer, was ihre Angst, alleine draußen unterwegs zu sein, keineswegs verringerte.
Am Straßenrand neben dem Gebäude parkte ein Streifenwagen. Ray stand unter dem Säulenvorbau und wartete schon auf sie. Die Eingangstür
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