Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

einzelne von uns dort abgespeichert hat. Die wesentliche Basis dafür wurde in unseren Kinder- und Schultagen gelegt. Schon früh haben wir lernen müssen, viele Details voneinander zu unterscheiden. Was »falsch« und »richtig« war, zeigten uns die Eltern und der Rotstift des Lehrers. Dieser Denkansatz durchzieht unser ganzes Berufsleben ebenso wie unsere Wissenschaft. Die klassische empirische Forschung westlichen Zuschnitts lässt bis heute nur als »bewiesen« gelten, was sie aufgrund von Hinschauen, Messen und in Formeln und Konzepte Übersetzen erklären kann. Im Berufsleben verlassen wir uns auf Excel-Tabellen, Kostenrechnungen, Gewinnkalkulationen und Bilanzrechnungen. Allem, was nicht dort hineinpasst, etwa den Gefühlen und Stimmungen der Menschen im Unternehmen, wird die Existenzberechtigung so lange abgesprochen, bis sich nun wirklich nicht mehr leugnen lässt, dass da noch mehr ist.
    Wenn Sie das, was für Sie beruflich »real« zu sein scheint, auf das materiell Sicht- und Greifbare reduzieren, kommen Sie leichter zu Ergebnissen, die von den Denkmustern Ihres Gehirns akzeptiert werden können. Mehr aber auch nicht. Sie wissen dann immer noch nicht, was beruflich »wirklich« ist, und leiden deshalb vor sich hin. Sie meinen schon alles zu verstehen und schlussfolgern, Sie hätten nur zu wenig Einfluss auf das, was mit Ihnen und Ihrer Arbeit gerade geschieht. Das Umfeld sei die Ursache, warum Sie den Spaß an Ihrer Arbeit verloren haben. Solche Schlussfolgerungen sind voreilig.
Jede logische Argumentation in eigener Sache, mit der Ihr Gehirn Sie losschickt, um Ihre Überzeugungsmuster zu verteidigen, beginnt mit einer Annahme, die nicht infrage gestellt wird.
    Die ganze Wirklichkeit ist sehr viel komplexer und vielschichtiger. Dazu möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, frei nach dem Gedicht »Die blinden Männer und der Elefant« von John Godfrey Saxe. Sechs wissbegierige, gebildete aber blinde Männer begegnen einem Elefanten. Obwohl sie um ihre Blindheit, das heißt, ihr eingeschränktes Bild der Wirklichkeit wissen, sind sie überzeugt, das Wesen dieses Lebewesens durch Betasten genau beschreiben und erfassen zu können. Der Erste streicht dem Elefanten über die Flanke und erklärt, es handle sich um eine Art Mauer. Der Zweite bekommt einen Stoßzahn zu fassen und meint, es sei ein Speer. Der Dritte betastet den Rüssel und sagt: »Zweifellos eine Schlange.« Der Vierte und Kleinste widerspricht heftig. Er hat ein Bein des Elefanten mit beiden Armen umschlungen und was er ertastet, gleicht einem Baum. »So ein Unsinn«, sagt der Fünfte. »Es ist ein Fächer.« Denn genauso fühlt sich das Ohr an, über das er mit seinen Händen streicht. Der Sechste ist nun völlig verwirrt. Wie können die anderen nur so dumm sein. »Es ist ein Seil, ohne Frage.« Er hält den Schwanz des Elefanten in den Händen. Die Männer streiten vor sich hin. Jeder beharrt auf seiner Sicht der Dinge und als eine Frau des Weges kommt, bitten sie diese, zu entscheiden, wer denn nun recht habe. Die Frau hört sich die sechs sehr unterschiedlichen Ansichten an, blickt auf den Elefanten und geht kopfschüttelnd und kommentarlos weiter. Die sechs Herren interpretierten ihr Schweigen übereinstimmend: »Die Frau ist dumm und ungebildet.«
    Wenn Ihnen der Spaß an Ihrer Arbeit vergangen ist, denken und handeln Sie genau wie diese sechs Männer. Sie bauen Ihre beruflichen Wahrheiten auf Auszügen der Wirklichkeit auf. Jeder, der die Dinge nicht so sieht wie Sie, hat per se erst einmal unrecht. Sie übersehen, dass Ihre Fähigkeit, sich Ihrer selbst vollständig bewusst zu sein, sehr viel komplexer ist.
Jeder Mensch ist sich auf vier gleichwertige aber sehr unterschiedliche Arten seiner selbst bewusst: durch Denken, mit den fünf Sinnen Wahrnehmen, Fühlen und intuitives Wissen.
    Sie nutzen in diesem Buch alle vier Bewusstseinsfunktionen, um Ihren ganz persönlichen »Berufselefanten« zu erkennen, sprich, Ihre berufliche Wirklichkeit in ihrer ganzen Komplexität und Vielfalt. Es ist so, wie wenn Sie ein Puzzle zusammensetzen. Sie betrachten alle Einzelaspekte: Ihren physischen Körper, Ihren Verstand, Ihr Wesen, Ihre Fähigkeiten, Ihre Leidenschaften und Ihre Talente. Was können Sie damit beruflich tun und erreichen? Wie können Sie damit Spaß haben und Geld verdienen? Darum geht es.
Die erste Herausforderung besteht darin, neue, positive Erfahrungen zu sammeln, damit sich die etablierten Denk- und Überzeugungsmuster