Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

Titel: Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Violetta Jung
Vom Netzwerk:
Geschäftsführer der Länder das Geschäft in ihren Händen hielten. Wir arbeiteten mit dem systemgewollten Konflikt der Matrix-Organisation und duellierten uns mit so manchem Geschäftsführer um Schein und Sein, berechnete Frachtraten und tatsächliche Deckungsbeiträge. »All das führt nicht zu einem Ziel, das im Sinne des Gesamtunternehmens ist, wenn die Akteure nicht ›wir‹ sondern ›ich, mir, mein‹ und in Inseln denken«, resümierte ich nach wenigen Wochen.
    Statt weitere Kontrollmechanismen in der Matrix zu etablieren, um Versteckspielchen aufzudecken, plädierte ich für Ehrlichkeit und Transparenz als gelebte Werte. Ich erntete Stirnrunzeln, Kopfschütteln und in meiner Abwesenheit sicherlich so manch deftigen Kommentar. Gleichzeitig fragte ich mich, warum die meisten meiner »Kollegen« keine rechte Freude an ihrer Arbeit fanden. Für sie musste eine Bretter bohrende Quereinsteigerin, die nachfragte, sie mit Ungereimtheiten konfrontierte und sich nicht an bestehende Arbeitsweisen, Hierarchien und Hackordnungen hielt, der blanke Horror gewesen sein. Jahre nach meinem Ausscheiden aus dem Konzern erfuhr ich, wer wo und wie verhindert hatte, dass ich für das Unternehmen nach Asien gehen konnte. Es war lange mein Herzenswunsch gewesen, dort zu leben und zu arbeiten. Wahrscheinlich haben viele mein Verhalten als arrogant und besserwisserisch erfahren. Ich kann es ihnen aus ihrer Sicht nicht verdenken. Es gibt kein perfektes Unternehmen, nirgendwo. Aber ich konnte nicht damit leben, nicht zumindest stetig nach Verbesserung für alle zu streben, weiterzudenken und täglich alles zu geben. Unbewusst wollte ich mein Wesen leben und auch allen anderen die Chance geben, ihr Wesen zu leben.
    Meine tiefe Überzeugung, dass Probleme im Team besser gelöst werden können als allein, brachte mir die Unterstützung der Mitarbeiter meines Verantwortungsbereiches und den Respekt einiger älterer Kollegen ein. Bei einigen der Seebären und alten Hasen, die im Unternehmen aufgrund ihrer Kompetenz unangefochten waren, durfte ich jederzeit um Rat nachsuchen und Verständnisfragen loswerden. Ohne ihre Schützenhilfe hätte ich wohl im ersten Jahr Schiffbruch erlitten, denn die Hamsterradfraktion war mächtig. Nachdem ich am Hauptsitz der Reederei gerade den ersten »Stahlgeruch« angenommen hatte, wurde ich Knall auf Fall von Hamburg nach Antwerpen versetzt.
Denn erstens kommt es anders, als man zweitens meistens denkt, denn das Berufsleben ist weder in seinen Ereignissen planbar noch in Zahlen kalkulierbar.
    Die Reederei ernannte mich zur neuen Geschäftsführerin in Belgien. In Antwerpen waren die Mitarbeiter an einen erfahrenen Chef Mitte fünfzig und alten Schlages gewöhnt. Er wurde mit Nachnamen angeredet, sprach aber selbst die Menschen mit ihrem Vornamen an. Nun bekamen sie eine fünfunddreißigjährige Frau als Chef, die erste in der Firmengeschichte in einer solchen Position. Und die bestand darauf: »Entweder alle per Sie oder alle per Du, sucht es euch aus.« Es dauerte ein paar Tage, bis meine neue Mannschaft den ersten Schock überwunden hatte. Meiner Anweisung, völlige Transparenz gegenüber den Kollegen in der Zentrale walten zu lassen, fügten sie sich indes nur äußerst widerborstig. Noch niemand nahm für bare Münze, dass ich im Gegenzug für die Belange Belgiens und die der einzelnen Teammitglieder in Hamburg eintreten würde. Ihre Erfahrung hatte sie wohl etwas anderes gelehrt. Unter meinem Vorgänger hatten einige junge Manager Narrenfreiheit genossen. Sie hatten sich alles erlauben können und sämtliche Fehltritte und Eskapaden waren kaschiert worden. Andererseits waren viele Leistungsträger, auf deren Schultern die Last der täglichen Mühen lag, ungewürdigt geblieben. Die Mehrzahl der Mitarbeiter hatte schweigend, angewidert, fassungslos und resigniert zugleich zugeschaut. Alle sahen und wussten alles, aber niemand traute sich, etwas zu sagen – aus Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Solange Container- und Umsatzzahlen stimmten, sprich im Plansoll lagen, interessierte sich am Hauptsitz des Unternehmens niemand dafür, was wirklich im Tochterunternehmen vorging. Ein fataler Mechanismus, der den Spaß bei der Arbeit und den Willen, etwas zu leisten, in Belgien fühlbar untergrub.
    Meine ersten beiden Monate in Antwerpen verbrachte ich vor allem in den Büroetagen und auf dem Hafenterminal. Ich beobachtete die Angestellten und Arbeiter, hörte mir am Kaffeeautomaten ihre Geschichten über

Weitere Kostenlose Bücher