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Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

Titel: Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Violetta Jung
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berufliche Herausforderungen, Zwistigkeiten, Probleme und ganz Persönliches an und beantwortete freimütig sämtliche Fragen zu meiner Person. So bauten sich allmählich gegenseitiges Verständnis und Vertrauen auf. Mir wurde deutlich, dass sich die Menschen eine Arbeitsumgebung wünschten, in der es fair, gerecht, offen und freudvoll zuging. Nicht nur deshalb war es aus meiner Sicht an der Zeit, mit den Privilegien einiger Jungmanager aufzuräumen. Ich wollte eine transparente Struktur, die größtmögliche Verantwortung beim einzelnen Mitarbeiter beließ und denjenigen neue Herausforderungen bot, die zu mehr imstande waren. Zwei erfahrene Direktoren, die Personalleiterin und ich begannen auf einem leeren Blatt Papier eine neue Struktur – Prozesse, Arbeitsabläufe und Schnittstellen – zu definieren.
    Wir schrieben Führungspositionen hausintern neu aus und formten eine gänzlich neue Interaktionsplattform. Jeder konnte sich bewerben. Er oder sie erhielt drei Tage vor dem Auswahlgespräch konkrete Fragen, auf die wir eine Antwort erwarteten. Die jeweils einstündigen Auswahlrunden bestätigten, was wir zuvor beobachtet hatten. Im Unternehmen befanden sich Menschen, die weit unter ihrem Potenzial eingesetzt waren, und solche, die ihre gegenwärtige Position nicht auszufüllen vermochten und damit viele fähige Menschen blockierten. Amtierende Häuptlinge, die im Auswahlgespräch ihren Federschmuck einbüßten, stellten wir vor die Wahl, entweder ausbezahlt zu werden und das Unternehmen zu verlassen oder in eine Indianer-, sprich, Expertenposition zu wechseln. Viele entschieden sich, dem Unternehmen den Rücken zu kehren, weil sie sich von mir verkannt und nicht gebührend wertgeschätzt fühlten.
    Einige von ihnen beschimpften mich nicht nur unter vier Augen, sondern auch vor versammelter Mannschaft. Das tat weh und verletzte mich. Und aus ihrer Sicht konnte ich es sogar nachempfinden. Warum änderte ich, was jahrelang gängige Praxis und toleriert war? Wollte ich mich selbst darstellen oder trug ich persönliche Fehden aus? Weder noch. Ich tat nur, was aus meiner Sicht in einer zyklischen normalen Abwärtsphase des Geschäfts sinnvoll war, nämlich alle Hände an Deck zu holen und vereint an einem Strang zu ziehen. Nicht nur physisch, sondern auch mental und seelisch. Die Mitarbeiter, die sich selbst häufig als graue Garnelen bezeichneten, begannen auf- und durchzuatmen. Schließlich wurde man auch in der Zentrale auf unser Treiben aufmerksam. Dort hatten sich diejenigen beschwert, die mich beschimpft hatten. Mein Chef bestellte mich telefonisch zum Rapport nach Hamburg. Ich weigerte mich, zu kommen, versprach jedoch, sofort zu erscheinen, falls er in zwei Monaten noch immer beunruhigt sei. Er ließ uns vorerst gewähren.
    Wir etablierten das neue Geschäftsführungsteam, Abteilungs- und Gruppenleiter und veränderten die Kommunikationswege. Seid ehrlich, offen und arbeitet zusammen, war unser Credo. Im Unternehmen entstand eine neue Dynamik. Menschen kamen wieder fröhlich zur Arbeit und brachten sich engagiert ein. Unsere Gedanken zu Prozessen und Abläufen bedurften des Feinschliffs durch die Mitarbeiter und bei all dem Veränderungstumult stand immer noch der Kunde an erster Stelle. Jeden Morgen ging ich ab kurz nach sieben Uhr durch das Unternehmen und sprach mit allen, die mir begegneten. Was störte sie? Was sollten wir noch ändern? Wer hatte Sorgen? Wer brauchte Hilfe? Nach weiteren zwei Monaten lief das meiste rund und die Menschen fühlten sich wohl in ihrer Haut.
    Ich wurde nicht nach Hamburg einbestellt. Dafür schickte man uns nach sechs Monaten ein Untersuchungsteam von vier Spezialisten aus den Bereichen Sales, Customer Service, Operations und IT ins Haus, die herausfinden sollten, was wir getan hatten. Unsere Produktivität war substanziell angestiegen, und so etwas blieb der Zentrale beim regelmäßigen Benchmarking nicht verborgen. Und nun geschah das für mich Unfassliche. Das Spezialistenteam fertigte eine Blaupause unserer neuen Struktur mit allen Prozessen und Arbeitsabläufen an und die oberste Führungsebene der Reederei entschied, dass diese zusammen mit Anpassungen in der IT von allen Tochterunternehmen weltweit zu übernehmen sei. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder heulen sollte. Der Quantensprung war uns in Belgien vor allem deshalb gelungen, weil wir menschliches Fehlverhalten und Führungsschwächen in gemeinsame Ziele und Energie verwandelt hatten. Weil wir den Willen

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