Ich kenne dein Geheimnis
Dienst erwiesen. Nicht nur, dass du dich in den Drogensumpf hast ziehen
lassen, jetzt wirst du auch noch wegen Brandstiftung im Knast landen.« Er sah aufmerksam in das blasse, rauchgeschwärzte Gesicht
eines jungen Mannes mit Rastalocken, der vor der Zeit gealtert schien. Aus dem halbgeöffneten Mund ragten zwei faulige Zahnstummel.
»Sind Sie sicher, dass das unser Mann ist, Chef?«, fragte Cesini, der versuchte, sich mit dem Hemdsärmel den Ruß aus dem Gesicht
zu wischen, Brandgeruch lag in der Luft.
Tonioli reagierte gereizt: »Was glaubst du denn? Reichen ein Feuerzeug, ein Benzinkanister und zerrissenes Zeitungspapier
als Beweis nicht aus?«
»Er war noch nicht mal zwanzig«, meinte Cesini traurig.
»Dreiundzwanzig«, verbesserte Tonioli, nachdem er einen Blick auf den Ausweis geworfen hatte. »Mehr als einmal hat die Baronessa
seiner Familie finanziell unter die Arme gegriffen. Kannst du dir vorstellen, wie sie das treffen wird, wenn |382| sie erfährt, wer der Verräter war?« Tonioli stupste mit dem Fuß Albertos Arm an, doch der reagierte nicht. Dann drehte er
sich um. Zum Glück hatten seine Leute das Feuer im Griff. Die Flammen waren gegen zwei Uhr nachmittags aus den Fenstern des
Magazins 4 geschlagen, als die Arbeiter gerade in der Mittagspause waren. Sofort war der Alarm ausgelöst worden, und Toniolis
Männer hatten schnell eingreifen können. Trotzdem hatte es mehr als eine Stunde gedauert, bis sie das Feuer unter Kontrolle
gebracht hatten. Die Flammen hatten mehrere wertvolle Barrique-Fässer und einige Maschinen zerstört, das ganze Ausmaß der
Schäden war noch nicht abzusehen. Zum Glück war außer dem Brandstifter selbst niemand verletzt worden.
Als die Sirenen der Ambulanz zu hören waren, schob Tonioli den Ausweis wieder in die Brieftasche und steckte sie in Buzzis
Hosentasche zurück. »Mach du das, Fabio, ich sage inzwischen der Baronessa Bescheid.«
»Danke, Marco. Bitte informiere mich sofort, wenn es etwas Neues gibt. Die Sache bleibt im Augenblick noch unter uns.« Vivy
legte auf. Sie seufzte. Auch wenn sie inzwischen zu zittern aufgehört hatte, beruhigt war sie noch lange nicht. Nur wenige
Stunden zuvor hatte Chiara Bonelli den Brand vorhergesagt, vor dem Vivy durch einen Edelmann gerettet werden sollte. Und tatsächlich:
In dem Augenblick, als das Feuer ausbrach, war sie zwar im Büro gewesen, sie hätte aber genauso gut in Magazin 4 sein können.
Gianni Buzzi, Albertos Vater, der seit mehr als fünfzehn Jahren für sie arbeitete, hatte sie gebeten, nach den Barrique-Fässern
zu sehen. Vivy wollte das gleich nach dem Mittagessen erledigen, hatte sich aber dann an Chiaras seltsame Worte erinnert.
»Der Mann aus dem 18. Jahrhundert wird Ihnen helfen. Vertrauen Sie auf seine |383| Worte, sie werden Ihnen den richtigen Weg weisen
.«
Aus diesem Grund hatte sie noch mal einen Blick auf Volfango d’Altinos verschlüsselte Hinweise über den Schatz werfen wollen
und war wie immer so sehr in die Lektüre vertieft gewesen, dass sie alles andere vergessen hatte. Dann hatte sie plötzlich
die Flammen in den Himmel züngeln sehen und aufgeschrien, während die Alarmsirenen schrillten. Zitternd und betend hatte sie
die Rettungskräfte vom Balkon des Wohnzimmers aus beobachtet. Jetzt war die Gefahr zwar vorbei, aber die Angst war geblieben,
gemischt mit einer seltsamen Unruhe, die sie nicht näher benennen konnte. Oder traute sie sich einfach nicht, diesem Gefühl
einen Namen zu geben? Und wenn Chiara Bonelli recht hatte? Wenn es tatsächlich Volfango gewesen war, der sie vor dem Feuer
gerettet hatte?
»Ihr Kamillentee, Baronessa«, Alfredo stellte das Tablett auf den Tisch. »Signorina Mangano ist da, sie sagt, sie hätten heute
Mittag eine Verabredung.«
»Ja, sie soll hereinkommen.«
»Baronessa, ich habe von dem Brand gehört …«, Smeralda wirkte erschüttert.
»Ja, es ist ein Wunder, dass niemand zu Schaden gekommen ist.« Über die genauen Umstände sprach Vivy nicht.
»Wissen Sie, als ich davon gehört habe …«
»Nicht zu glauben, oder?«, die Baronessa lächelte, »Ich habe es auch erst nicht wahrhaben wollen. Ich bin ein Vernunftmensch,
von übersinnlichen Phänomenen, die schon in den sechziger Jahren en vogue waren, halte ich rein gar nichts, aber da waren
Sie noch nicht mal geboren. Ich hielt mich immer für stark genug, um auch ohne Magie durchs Leben zu kommen, und dachte, ein
starker Wille und eine Prise
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