Ich kenne dein Geheimnis
Du hattest wieder eine Vision.«
Chiara schwieg und schüttelte halbherzig den Kopf.
»Mir kannst du es doch sagen.«
»Es war mehr als eine Vision. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich plötzlich einen Zusammenhang herstellen.«
»Einen Zusammenhang?«
»Ja, das klingt absurd, ich weiß, aber plötzlich saß ich in einem Zug.«
»In einem Zug? Ein klares Zeichen, dass du am liebsten abgehauen wärst …«, spottete Piergiorgio.
Chiara lächelte. Der Zug, den sie vor ihrem geistigen Auge gesehen hatte, war nicht irgendein Zug gewesen. Es war der Eurostar,
in dessen Toilette die Frau ohne Identität gefunden |138| worden war. Und aus irgendeinem Grund, den sie noch nicht fassen konnte, war das Geschehen in diesem Zug mit Smeralda Mangano
verknüpft.
Aus dem Flur waren Schritte und Stimmen zu hören. Chiara erkannte sofort die wütende Stimme ihres Chefs. »Dieses Mal fliegt
sie. Ein knackiges Interview, schön und gut, aber dieser mediale Tsunami? Das ist zu viel!«, wetterte er. »Diese Verrückte
hat mir die Sendung ruiniert.«
»Adieu, Karriere«, Chiara sank Piergiorgio in die Arme.
»Darüber macht man keine Witze«, flüsterte er ihr ins Ohr und tupfte mit einem Taschentuch eine Träne ab.
Francescas perfektes Make-up war jedenfalls dahin.
Gilla, die Kostümbildnerin, hatte das Geschehen hinter den Kulissen verfolgt. Sie war sofort in die Gästegarderobe gestürmt,
um zu prüfen, ob dort alles in Ordnung war. Ließen sich die Türen öffnen? Die Garderoben waren spartanisch eingerichtet, vor
allem an den Schlössern war gespart worden. Gilla hatte kaum aufgeschlossen, als auch schon Smeralda Mangano hereinstürmte,
Casaretti und Siani im Schlepptau, die noch gar nicht glauben konnten, was geschehen war.
»Danke«, bellte Smeralda und entließ die beiden. Sie hasste es, wenn Männer hinter ihr herhechelten.
Während Gilla ihr in den Sessel half, bewunderte sie das rote Kleid. Donna Diabla war in der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend
unbekannt, aber in der Szene war die Marke mit ihren raffinierten Kreationen schon lange ein Thema.
»Soll ich Ihnen beim Umziehen helfen, Signorina?«
Smeralda deutete ihr an, noch etwas zu warten.
»Wie kann sie es wagen! Diese Dilettantin!« Ihre Agentin |139| Edy Micheli stürzte wie eine Furie in die Garderobe. »Wir werden die Schlampe verklagen, sie soll richtig bluten.«
Smeralda sah sie gequält an. »Edy, bitte hör auf, so zu schreien. Mir platzt der Schädel.«
In der Zwischenzeit hatte auch Ermanno Forte die Garderobe betreten, nachdem er seine Zigarre vor der Tür in den Aschenbecher
gelegt hatte.
»Signorina Mangano, ich bin untröstlich und entschuldige mich in aller Form, im Namen das gesamten Telestella-Teams.«
»Eine Entschuldigung reicht nicht, mein lieber Signor Forte«, entgegnete Edy, während Smeralda sich abwandte. Eine Szene war
das Letzte, was sie jetzt brauchte.
»Das, was passiert ist, ist unverzeihlich, ich weiß, Signorina Micheli«, Forte betonte besonders das Wort »Signorina«, um
der Agentin zu schmeicheln. Die Bezeichnung traf allerdings nur auf die Tatsache zu, dass die eher farblose Mittfünfzigerin
nicht verheiratet war.
Aber Edy Micheli ließ sich nicht mit Komplimenten abspeisen. Mit hochgezogenen Augenbrauen wartete sie, dass Forte noch etwas
nachlegte.
»Ich versichere Ihnen, verehrte Signorina, dass dieser Auftritt Konsequenzen für Chiara Bonelli haben wird.«
»Papperlapapp. Viel schwerwiegender ist die Tatsache, dass dieser Auftritt Konsequenzen für Smeralda Mangano haben wird!«
Forte schluckte und zwang sich zu einem Lächeln. Wie gern hätte er seine Hände um ihren faltigen Hals gelegt und zugedrückt.
Aber die Agentin fuhr ungerührt fort: »Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie bei Telestella Anfängerinnen
beschäftigen. Auf Sie wartet eine saftige Schadensersatzklage!« Innerlich triumphierte sie. Endlich würde |140| sie mit dieser blöden Kuh von Mangano, die TV-Auftritte und Presseinterviews vehement ablehnte, richtig Geld machen.
Smeralda stand auf und sagte: »Edy, könnten wir das bitte später in Ruhe besprechen?«
Forte schenkte der Schauspielerin ein bewunderndes Lächeln, auch wenn ihre Schönheit in diesem Moment seine Angst vor einer
Schadensersatzklage nicht verdrängen konnte. »Ich habe nicht vor, den Lesern der Klatschmagazine zum Fraß vorgeworfen zu werden«,
Smeralda warf Edy einen raschen Blick zu, »wir werden
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