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Ich kenne dein Geheimnis

Titel: Ich kenne dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Begegnung mit der Marchesa di Regalmici festhalten.
     Er holte seine Memoiren hervor, nahm mit zitternder, schweißnasser Hand ein neues Blatt und versuchte, die ihn überwältigenden
     Gefühle zu Papier zu bringen.
    Palermo, 10 September 1771
    Dank dem Segen des allmächtigen Gottes wächst mein Sohn Lupo d’Altino gesund heran, was mich das Glück erleben lässt, das
     ich so lange entbehren musste. Aber dieses Glück wird getrübt von der Qual, weiter an der Seite meiner vor Gott angetrauten
     Ehefrau Eufrasia leben zu müssen.
    Im Jahre 1771 habe ich eine Frau getroffen, die mir alles bedeutet. Ihr Name ist Oliva Branciforte, Marchesa di Regalmici.
     Ich würde mein Leben für sie geben, ihr mein gesamtes Vermögen zu Füßen legen. Oliva ist die schönste Frau, auf der meine
     Augen je geruht haben.
     
    Am nächsten Morgen hatte sich das Unwetter ausgetobt, und nur ein leichter Regen erinnerte noch an die Stürme der vergangenen
     Nacht. Die Marchesa räkelte sich nackt zwischen linnenen Laken. Von draußen drang bleigraues Licht durch das Schlafzimmerfenster.
     Sie war aus einem erotischen Traum erwacht, in dem Volfango d’Altino und sie sich leidenschaftlich geliebt hatten. Der Baron
     hatte sie auf den ersten Blick fasziniert. Er hatte etwas Raubtierhaftes, das sie anzog und ihr gleichzeitig Angst machte,
     letzteres ein Gefühl, das sie nur selten empfand.
    |223| Auch wenn er die vierzig bereits erreicht hatte, war Volfango noch immer ein stattlicher Mann mit athletischem Körperbau,
     aber es waren vor allem seine lapislazuliblauen Augen, die Olivas Phantasie in Flammen gesetzt hatten. Diese Augen! Sie erinnerten
     an einen gefährlichen Strudel in einem auf den ersten Blick ruhigen Bergsee. Eine elektrisierende Kraft, der sie nicht widerstehen
     konnte, ging von ihnen aus. Nachdem sie sich gereckt und gestreckt hatte, befreite sich Oliva aus den feuchtwarmen Laken und
     stand auf, um sich im Spiegel zu bewundern. Sie stand in der Blüte ihrer Jahre, ihr Körper war straff und geschmeidig dank
     langer Spaziergänge und Ausritte in den umliegenden Wäldern. Die Männer lagen ihr zu Füßen und setzten alles daran, ihre Gunst
     zu gewinnen. Und Oliva wusste sehr genau um ihre Faszination, um die Verlockungen ihres wogenden Busens und ihres prallen
     Hinterns. Doch im Gegensatz zu ihren Freundinnen war es nicht ihr Körper, auf den sie stolz war, sondern ihr Geist, das Wissen,
     das sie sich über Jahre hinweg angeeignet hatte. Oliva war von ihren Eltern sehr frei erzogen worden, fast wie ein Junge.
     Ihr Vater Don Ferdinando hatte selbst in Paris studiert, er war fasziniert von den revolutionären Ideen, die in den Kreisen
     der Intellektuellen kursierten. Frauen hatten für ihn die gleichen intellektuellen Fähigkeiten wie Männer und sollten deshalb
     auch den gleichen Stellenwert in der Gesellschaft haben. Er hatte die Erziehung seiner einzigen Tochter einem gebildeten Mönch
     anvertraut, der ihm von niemand Geringerem als dem Abt des Kapuzinerklosters in Palermo empfohlen worden war. Von klein auf
     wollte Oliva alles wissen, ihr besonderes Interesse galt der Mathematik und der Philosophie, aber auch Latein und Griechisch
     faszinierten sie. Zudem hatte sie Französischunterricht bei Mademoiselle Francine, die extra aus Paris zu ihnen gekommen war.
     Auch der Sport war nicht |224| zu kurz gekommen. Mit dreizehn konnte Oliva bereits ohne Sattel reiten und ausgezeichnet fechten. Selbst ihrem Cousin Antonino
     Maria La Grua Talamanca Branciforte, der für seine Fechtkünste weit und breit bekannt war, konnte sie die Stirn bieten. Bis
     dato war ihr Vater immer stolz auf ihre Erfolge in traditionell männlichen Domänen gewesen, aber inzwischen war sie eine junge
     Frau von zweiundzwanzig Jahren, und es war an der Zeit, sich etwas damenhafter zu benehmen. Schließlich war sie seit langem
     im heiratsfähigen Alter, und an Verehrern fehlte es nicht, trotz ihres Ungestüms und ihrer schonungslosen Offenheit. Doch
     Olivas Interesse an einem Mann war nie von langer Dauer, der eine war ihr zu langweilig, der andere zu bieder. Kaum war das
     erste Feuer abgekühlt, suchte sie schon nach neuen Abenteuern. Ihr Heißhunger nach immer neuen Herausforderungen war ihr selbst
     ein Rätsel. Vielleicht waren ihr Rastlosigkeit und Wagemut in die Wiege gelegt worden. Bereits mit dreizehn hatte sie mit
     einem glutäugigen Stallburschen im Heuschober ihre Jungfräulichkeit verloren. Danach war er spurlos verschwunden.

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