Ich kenne dein Geheimnis
waren
beeindruckt. Die Damen hatten sich herausgeputzt, sie trugen hochaufgetürmte Perücken und prachtvolle Gewänder und waren stark
geschminkt. Einige hatten allerdings entschieden übertrieben, wie der Baron belustigt feststellte. «Nichts gegen die Venezianerinnen«,
dachte er, während er seiner Frau den Arm bot und sich einer Gruppe Gäste näherte.
»Erlaubt mir, Euch Donna Eufrasia Baronessa d’Altino vorzustellen.« Die Gäste neigten ehrerbietig den Kopf. Von Altemburg
waren die bewundernden Blicke einiger Männer nicht entgangen. Rasch versicherte er sich, dass seine Frau sie nicht etwa erwiderte.
Dabei bemerkte er verärgert, dass seine |220| Frau ihr neues Collier nicht trug. Diese Smaragde, die sie verschmähte, hatten schon allein aufgrund ihrer Herkunft einen
unschätzbaren Wert. Einen Moment lang dachte er an jene Nacht im Spielsaal des Palazzo Barbarigo in Venedig zurück und sah
den überraschten Blick des Fürsten Napier vor sich, kurz bevor er gestorben war.
Eufrasia war der Unmut ihres Mannes nicht verborgen geblieben. Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu, Worte waren überflüssig.
Volfango wusste sehr wohl, warum Eufrasia ihn hasste, und er wusste auch, dass sie ihm niemals verzeihen würde. Die Geburt
seines zukünftigen Erben war untrennbar mit dem Tod von vier Menschen verknüpft: Meluzza und das neugeborene Zwillingsmädchen,
aber auch der Arzt und die Hebamme hatten sterben müssen. In den Augen Eufrasias war jeder einzelne Smaragd der Kette mit
Blut befleckt.
Kurz vor Beginn des Festessens kam eine Frau auf Barone d’Altino zu, die ihr Gesicht hinter einem Fächer verbarg. Sein erster
Blick fiel auf die üppigen Brüste der Unbekannten, die ein prächtiges, tief ausgeschnittenes Kleid aus himmelblauer Seide
trug.
Als sie den Baron erreicht hatte, ließ die Dame den Fächer zuschnappen. D’Altino blickte in ein Paar rehbrauner Augen mit
goldenen und grünen Einsprengseln, umrahmt von langen, seidigen Wimpern und einem wunderschönen, ebenmäßigen Gesicht.
»Madama, ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber erlaubt mir die Bemerkung, dass Eure Augen wie Goldtopase funkeln«, Volfango d’Altino
verbeugte sich und lächelte sie an.
»Ich bin Marchesa Oliva di Regalmici«, stellte sie sich vor und blickte ihm direkt in die Augen, herausfordernd, ja fast |221| ein wenig unverschämt. Als er ihre raue Stimme hörte, fühlte der Baron eine prickelnde Erregung in sich aufsteigen, ein Gefühl,
das er seit langem vermisst hatte.
In der Zwischenzeit machte der Principe di Gravina in der entgegengesetzten Ecke des Saales eifrig Konversation mit der Baronessa,
wobei er peinlich darauf achtete, seine Bewunderung für sie hinter gedrechselten Phrasen zu verbergen. Doch als er sicher
war, vor neugierigen Ohren und Augen geschützt zu sein, wagte er es: »Donna Eufrasia, Ihr Gemahl ist ein glücklicher Mann.
Jetzt, da ich Euch zum ersten Male gegenüberstehe, begreife ich, warum er Euch behütet wie seinen Augapfel. Eure Schönheit
könnte selbst den tugendhaftesten Mann in Versuchung führen …«
Donna Eufrasia errötete, solche Komplimente hatte sie schon lange nicht mehr gehört. Nicht einmal die Schminke konnte ihre
Verwirrung verdecken. Jahrelang hatte sie sich ihres fülligen Körpers geschämt und sich zurückgezogen. Wirklich begehrenswert
hatte sie sich nie gefühlt, nicht einmal, als Volfango d’Altino bei ihrem Vater um ihre Hand angehalten hatte. Sie wusste
nur zu gut, dass er nicht aus Leidenschaft um sie warb. Ihr Vater hatte sein ganzes Vermögen verspielt und den wie aus dem
Nichts aufgetauchten von Altemburg gebeten, ihm zu helfen. Als Gegenleistung hatte er ihm die Hand seiner Tochter angeboten
und ihm damit Zugang zu den Adelskreisen der Stadt verschafft.
Um ihre Verlegenheit zu kaschieren, begann Donna Eufrasia, heftig mit dem Fächer zu wedeln, und ließ ihren Blick durch den
Saal schweifen. Der Fürst zog sich sofort taktvoll zurück, doch nicht, ohne ihr vorher zuzuraunen: »Wenn Ihr es erlaubt, Donna
Eufrasia, werde ich auf ewig Euer treuer Diener sein.«
|222| In dieser Nacht kündigte sich ein schweres Gewitter an. Baron d’Altino prüfte sorgfältig, ob alle Fenster geschlossen waren,
und setzte sich dann an den schweren schwarzglänzenden, mit goldenen Verzierungen versehenen venezianischen Sekretär. Bevor
er sich in seine Gemächer zurückzog, musste er unbedingt noch seine aufwühlende
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