Ich kenne dein Geheimnis
wie gerne er einmal die schöne Oliva zügeln würde.
Santuzza kehrte hastig in Donna Eufrasias Gemächer zurück. »Donna Eufrasia, Euer Gemahl gestattet euch, nach Palermo zu reisen.«
»Sag Tina Bescheid. Ich werde einige Tage unterwegs sein und brauche ein Kleid für den Abend und eines für das Kloster, ich
will meine Schwester besuchen.«
»Sehr gerne«, Santuzza verbeugte sich und machte sich auf die Suche nach Tina.
Während sie auf die beiden Dienerinnen wartete, überlegte Eufrasia, welches Kleid sie mitnehmen sollte, um Principe Gravina
zu beeindrucken. Sie wollte unbedingt ihre Schuhe aus Atlasseide tragen, wie sie im Augenblick in Adelskreisen in Mode waren.
Da diese Schuhe blaue Stickereien hatten, dachte sie an das weiße Abendkleid mit himmelblauen Spitzen, die der Baron von einer
Klöpplerin aus Burano hatte anfertigen lassen. Die Baronessa war zwar noch nicht dort gewesen, aber sie wusste, dass es sich
um eine Insel in der venezianischen Lagunenlandschaft handelte, die für ihre Spitzenklöppelei berühmt war.
»Zu Euren Diensten.« Tina und Santuzza betraten das Zimmer, knicksten und gingen auf den großen Nussbaumschrank zu, in dem
die Reisegarderobe der Baronessa aufbewahrt wurde. Während die beiden die Reisekisten packten, öffnete Donna Eufrasia ihre
Schmuckkassette und nahm ein Saphircollier mit passenden Ohrringen heraus. Nach kurzem Zögern |228| griff sie noch zu einer Korallenkette mit Blumenanhänger und goldenen Ohrringen mit Korallenherzen. Sie verstaute alles in
ihrem Reiseschmuckkästchen und befahl, noch das cremefarbene gestreifte Kleid mit den spitzenbesetzten Ärmeln einzupacken,
das sie für das Porträt in der Galerie getragen hatte. Die Schneiderinnen hatten es enger gemacht, jetzt saß es wieder wie
angegossen. Während Tina das Kleid sorgfältig zusammenfaltete, kümmerte sich Santuzza um den Krinolinenunterrock, der wegen
der Reifenkonstruktion in einem Spezialbehälter transportiert werden musste. Alles in allem reiste die Baronessa mit drei
großen Reisekisten, einem Schmink-, einem Medikamentenköfferchen und einer Schachtel für die Perücke. Eufrasia hasste Perücken,
aber in Palermo würde sie eine tragen müssen.
Währenddessen war die Baronessa in Lupos Zimmer hinübergegangen. Die Amme saß am Fenster und stillte das Kind, dabei sang
sie ganz leise ein Schlaflied. Eufrasia blieb hinter einer Säule stehen und beobachtete sie. Wie gerne wäre sie an Agatas
Stelle gewesen und hätte das Kind mit den großen blauen Augen an ihren Busen gedrückt. Doch andererseits hätte sie den Gedanken
nicht ertragen können, ein Kind zu stillen, das nicht ihr eigen Fleisch und Blut war und für dessen Leben so viele Menschen
hatten sterben müssen. Der Hass auf den Baron übermannte sie und erstickte jedes mütterliche Gefühl im Keim. Die Familie d’Altino
würde fortbestehen, ohne einen Tropfen ihres Blutes: ein unerträglicher Gedanke. Als sie sich umwandte, knarrten die Dielen.
Agata sah auf: »Herrin!« Auch Lupo hatte sein Köpfchen zu ihr umgedreht, aber Donna Eufrasia hatte sich bereits in ihre Gemächer
zurückgezogen. Weinend kniete sie vor dem Reliquienschrein nieder und heftete ihren Blick auf die Christusfigur aus Elfenbein
und auf die beiden holzgeschnitzten Engel, die sie flankierten. Der eine |229| hielt eine Trommel, der andere eine Blume in der Hand. Wie oft schon hatte sie die Engel um Schutz angefleht. Dieses Mal bat
die Baronessa um Frieden für ihre Seele und um Schutz auf ihrer Reise nach Palermo. Sie hatte eine Entscheidung getroffen,
die ihr Leben für immer verändern würde. Hatte sie die Kraft, den möglichen Konsequenzen ins Auge zu sehen? Die Einladung
des Fürsten war gerade im richtigen Moment gekommen. Sie bat die Dienerinnen, das Reliquiar auf der Kutsche zu verstauen,
auf ihr tägliches Gebet wollte sie auch fern von zu Haus nicht verzichten. Tina und Santuzza sahen sich verblüfft an. So viel
Gepäck für eine kurze Reise?
Eufrasia lief im Zimmer auf und ab. In diesen vier Wänden, inmitten all der kostbaren Möbel, hatte sie viele Jahre ihres Lebens
verbracht. Wehmütig erinnerte sie sich an die erste Liebesnacht mit Volfango. Er war ihr erster Mann gewesen. Nachdem er sie
mit ungestümer Lust genommen hatte, hatte er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Schulter gedrückt, sich umgedreht und war eingeschlafen.
Tief enttäuscht hatte sie sich die Hand auf den Mund gepresst, damit er
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