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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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das Bett und zog den Reißverschluss ihrer Jacke auf, bevor sie die Ecke des Häkchens benutzte, um unter ihrem Daumennagel zu stochern.
    »Wie geht es deiner Mutter?«, fragte sie, nun weniger vorsichtig.
    »Hast du sie nicht gesehen?«
    Chloe riss die Augen weit auf und schüttelte den Kopf. Sie log.
    »Egal«, sagte ich.
    Donald war nie groß ein Thema zwischen uns gewesen, und solange wir es nicht erwähnten, war er nun, da er tot war, weniger peinlich als früher, als er noch lebte und mit nur einem Hausschuh oben durch den Flur schlurfte oder an seinem Inhalator saugte, während wir beim Abendessen saßen, oder meine Tür öffnete, ohne anzuklopfen, und einfach hereinplatzte und um eine Schere oder Kleber oder Hilfe mit seiner Schreibmaschine bat.
    Wenn das geschah, hatte Chloe ihn offen ausgelacht, und ich hätte mitlachen sollen. Nun musste ich an Chloes unterdrücktes Kichern und ihre bebenden Schultern denken, und an Donald, der mich unter vier Augen fragte, ob sie »noch ganz richtig« sei. Ich lachte tatsächlich mit, damals, sodass er zögerte und sagte: »Sorry, Mädels«, selbst wenn er uns gar nichts fragen, sondern nur Bescheid geben wollte, dass wir zum Essen kommen sollten. Ich glaube, er bedauerte es, ganz allgemein, dass er lebte und gezwungen war, anderen damit auf die Nerven zu gehen.
    »Dieser Typ«, sagte ich. »Am zweiten Weihnachtstag.«
    »Du bist ja besessen von diesem Mongo.« Sie schrie nicht gerade, aber es war laut, und es kam hastig heraus.
    »Hat Emma dir gesagt, dass du das sagen sollst?«, fragte ich.
    Chloe starrte mich an. »Wie kommst du jetzt auf Emma?«
    »Warum?«
    »Was?«
    »Warum hast du ihr nicht erzählt, dass wir die Letzten waren, die Wilson gesehen haben? Ihr seid doch plötzlich so dicke Freundinnen.«
    »Oh, sie ist … « Chloe machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie ist zu neugierig. Sie gibt sich wirklich große Mühe, weißt du? Es ist ihr wichtig, was ich von ihr denke. Das ist ein bisschen armselig.«
    Ich nickte. Ich war mir ziemlich sicher, dass Chloe mich Emma genau so beschrieben hatte. Sie war manchmal wirklich eine falsche Schlange.
    »Ich muss halt immer an den Fußball denken, der im Eis eingefroren ist. Ich stelle mir ständig vor, wie er dem Ball hinterhergejagt ist durch den Wald bis ans Wasser. Glaubst du, er konnte schwimmen?«
    »Denk nicht darüber nach«, sagte Chloe. »Du spinnst dir nur was zusammen. Du hast keinen Schimmer, was mit ihm passiert ist. Keiner weiß das. Wahrscheinlich ist er einfach abgehauen.«
    »Meinst du?«
    »Wie oft müssen wir noch darüber reden? Das ödet mich an. Und da wunderst du dich, dass ich lieber mit Emma abhänge?«
    »Ich muss die ganze Zeit daran denken.« Ich lehnte den Kopf an ihre Schulter. »Ich kann nicht schlafen. Ich mache mir Vorwürfe, ein bisschen. Ich muss einfach rausfinden, was passiert ist. Damit ich weiß, dass es nicht meine Schuld war.«
    »Es war nicht deine Schuld«, erwiderte Chloe automatisch. Den Kopf an ihrer Schulter, konnte ich ihren Schweiß riechen.
    »Das weiß ich eben nicht sicher. Barbara denkt, das, was mit du weißt schon passiert ist, ist auch meine Schuld. Woher soll ich wissen, dass sie nicht recht hat?«
    Ich versuchte zu weinen, aber ich war leer.
    »Was ist?«, fragte Chloe. Sie rutschte eng an mich, bis ihr Knie gegen mein Bein drückte.
    »Bin bloß traurig«, sagte ich. »Mein Kopf ist das reinste Chaos.«
    Nun weinte ich wirklich, und es war nicht komplett gespielt, und sie wusste genau, was sie mit mir tun musste.
    »Armes Baby«, sagte sie und drückte meinen Arm. Die Tränen kullerten und versiegten wieder. Sie drückte weiter. Wahrscheinlich dachte sie, ich würde anfangen zu kreischen oder um mich zu schlagen. Ich stellte mir uns beide vor auf einem Gemälde, die Köpfe dicht beieinander, vier weiße Kniescheiben und glänzend polierte Schuhe, die sich berührten.
    »Ich war schrecklich zu dir, nicht wahr? Und jetzt ist auch noch das passiert. Dein … Schicksalsschlag .«
    Ich lachte beinahe, und der Augenblick war vorüber. Es sah Chloe ähnlich, so zu reden, als würde sie in einem historischen Drama mitspielen. Sie hatte Jane Eyre gelesen und mich hinterher wochenlang gefragt, ob ich Lust hätte, »durch den Park zu flanieren«, statt einfach zu fragen, ob ich mit rauskäme.
    Ich sah auf unsere Knie und fühlte mich ganz hibbelig und fahrig und sagte nichts. Wir lauschten Barbaras Schritten auf der Treppe und dem Geräusch der Toilettenspülung.

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