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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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ich soll es dir geben, aber du brauchst noch nichts abzugeben. Sie war eigentlich ganz okay. Sie meinte, sie wird sich mit dir unterhalten, wenn du wiederkommst. Kein Grund zur Eile.«
    »Wie bist du auf die Nüsse gekommen?«
    Chloe wirkte verwirrt, lachte und legte dann theatralisch die Hände vor den Mund – als wäre eine Leiche oder ein Kranker im Zimmer nebenan, der durch ihren Lärm gestört werden könnte.
    »Mein Dad hat mich drauf gebracht«, antwortete sie. »Man zündet die Nüsse an und misst, wie stark sie das Wasser in einem Topf erwärmen. Anhand des Gewichts kann man den Brennwert berechnen.« Sie schnipste ihre Haare zurück. »Er wird es für mich aufschreiben.«
    Das ist der Grund, warum Chloe in allem immer Klassenbeste oder -zweite war. Was ihr Vater nicht wusste, deckte ihre Mutter ab. Ich sollte wahrscheinlich über Donalds Tagebücher und Schnipselbücher herfallen und etwas über Fische machen.
    »Was suchst du dir aus?«, fragte sie.
    Chloe hatte in der ganzen Zeit, die ich sie kannte, noch nie so viel über Schularbeiten geredet. »Ich wette, Mrs F. hat eine Liste, falls dir nichts einf…«
    »Eis«, sagte ich rasch, drehte mich auf dem Bett und zwang mich, ihren Blick zu erwidern.
    Ich schwöre Stein und Bein, dass ich nicht weiß, wo das herkam. Es war nicht geplant. Es war nichts, was mich bis dahin besonders interessiert hatte. Es musste das Wetter sein und meine fast ununterbrochenen Gedanken an die gefrorene Oberfläche des Entenweihers im Naturschutzgebiet. Eis. Kaum hatte ich das Wort ausgesprochen, dachte ich an zarte Blumen, die auf den Fenstern blühten, an die farnartigen Gerippe von Schneeflocken und Frostschichten.
    »Wegen der globalen Erwärmung?«
    Am liebsten hätte ich gelacht. »Eis. Daran muss ich in letzter Zeit oft denken.«
    Sie hustete, fuhr mit der Zungenspitze über ihren eingerissenen Mundwinkel und starrte wieder auf das Handtuch über der Heizung. Sie zündete sich unsicher eine Zigarette an, sah auf die Tür. Ich zählte bis zwanzig.
    »Warum bist du eigentlich hergekommen?«, fragte ich.
    Chloe presste die Lippen zusammen und funkelte mich an.
    »Meine Mutter hat gesagt, ich soll bei dir vorbeischauen«, antwortete sie. »Sie weiß nicht, dass unsere Freundschaft zerbrochen ist.«
    Zerbrochen, als wäre ich eine Glasvase auf einem wackligen Couchtisch oder unsere Freundschaft eine Ehe.
    »Hast du Carl gesehen?«
    Chloe zog den Kopf ein. Ich konnte sehen, dass an ihrem Hals rote Flecken erschienen. Sie spielte mit ihrer Zigarette, klopfte die Asche in den leeren Metallverschluss der Wodkaflasche.
    »Du weißt, dass sie mir das verboten haben.«
    »Du hast noch nie getan, was man dir gesagt hat. Die können nicht verhindern, dass du einen Freund hast, wie viele andere Mädchen.«
    »Sie finden, er ist zu alt.«
    »Warum hast du ihnen gesagt, wie alt er ist?«
    »Sie haben mich im Krankenhaus in die Mangel genommen. Wollten wissen, wo er wohnt, welche Schule er besucht hat, was sein Vater von Beruf ist. Mum wollte ihn zum Essen einladen, um ihn genau unter die Lupe zu nehmen. Dad wollte ihn unter der Terrasse begraben.«
    Ich dachte eine Weile darüber nach. Kostete es aus.
    »Ich hätte die Klappe halten sollen«, sagte ich, probehalber. Kein Grund, mich nun zurückzuhalten.
    »Vielleicht«, sagte Chloe. Die Röte an ihrem Hals breitete sich in ihrem Gesicht aus. »Reg dich nicht auf. In Anbetracht der Situation … « Sie wollte nicht sagen: »Nachdem dein Vater sich umgebracht hat, weil er verrückt war«, aber ich wusste, dass sie das meinte. »In Anbetracht der Situation ist das keine so große Sache, oder?«
    »Ich dachte, du würdest durchdrehen«, sagte ich. »Weil du ihn nicht sehen kannst. Hast du mit ihm gesprochen?«
    Chloe schüttelte den Kopf und hob die Hand an den Mund, um an der Nagelhaut zu knabbern, bevor sie sie ruckartig wegzog, als würde sie stinken oder als wären ihr gerade die schwarzen Trauerränder unter ihren Fingernägeln eingefallen.
    »Nein«, antwortete sie leichthin.
    »Ich habe dir Geld gegeben für dein Handy«, wandte ich ein. »Was hast du damit gemacht?«
    »Er geht nicht dran, okay?«, fuhr Chloe mich an. »Ich hänge nicht mehr mit ihm zusammen ab. Ich habe ihn seit zwei Wochen nicht gesehen, und ich will ihn auch nicht sehen. Lass gut sein, ja?«
    Sie war wieder ihr altes Ich, das durch die Zähne log und mich anfauchte, und in diesem Augenblick hatte ich ein bisschen Schiss vor ihr und wollte etwas tun, um sie zu

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