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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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Ohren und seinen Jackenkragen fiel. Als er sich nach uns umdrehte, sah ich, dass er sich von seinem Schnurrbart getrennt hatte. Ich lächelte, sagte aber nichts.
    »Ah, meine Mädels!«, sagte er grinsend und sprang flott von der Rampe, während wir uns näherten. Chloe, Emma und schließlich ich begannen zu rennen, und das Echo unserer Schritte hallte zwischen dem Metall und Beton wider. Ein Wagen kam um die Ecke und musste scharf bremsen, um Emma und Chloe nicht über den Haufen zu fahren. Die Frau am Steuer hupte, und Chloe streckte ihr die Zunge raus. Emma hielt sie am Jackenzipfel fest und zog sie weg, als sie sich anschickte, vor dem Wagen herzulaufen. Sie benahm sich immer so, wenn Carl in der Nähe war.
    »Wart ihr fleißig?«
    »Es war brechend voll, Carl, genau wie du gesagt hast.« Chloe benutzte wie immer ihre besondere, ältere Stimme, wenn sie mit ihm redete. Carl legte den Arm um ihre Schulter, zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. Dann ging er um seinen Wagen herum und klappte den Kofferraumdeckel hoch.
    »Schmeißt alles rein.«
    Emma beugte sich über den Kofferraum, band die hellblaue Strickjacke auf und ließ mehrere gelb-schwarze Filmschachteln herausfallen. Chloe kicherte und hielt Emmas Jacke, während diese die Strickjacke auszog und ihr zurückgab.
    »Das ist der Trick«, erklärte Emma mir. »Du musst beim nächsten Mal was Praktischeres anziehen. Dein Pulli taugt nicht. Zu ausgeleiert. Da fällt alles unten wieder raus.«
    »Okay«, sagte ich und erkannte zu spät, dass wir gerade mitten in einer Art Konkurrenzkampf steckten.
    »Oder du machst es wie Chloe«, fuhr Emma fort.
    Chloe zwinkerte und zog ein Gummiband von ihrem Jackenärmel über dem Handgelenk. Carl lachte, als sie ihren Ärmelaufschlag aufzupfte und kleine Schachteln mit Schrauben und Nägeln herausschüttelte.
    »Du bist ein Genie«, sagte er. »Darauf wäre ich nie gekommen. Du hast es faustdick hinter den Ohren!«
    Faustdick hinter den Ohren! Das war ein Ausdruck, den Kantinenfrauen benutzten oder Großmütter. Manchmal redete Carl, als würde er seine eigene Muttersprache nicht verstehen.
    »Was willst du mit den Schrauben?«, fragte ich.
    »Carl baut eine Dunkelkammer bei sich zu Hause«, antwortete Chloe. Carl stupste sie an die Schulter. »Schon gut. Sie wird nichts sagen.«
    Ich runzelte die Stirn. Wen interessierte schon seine Dunkelkammer?
    »Er muss die Fenster verdunkeln«, erklärte sie. »Man kann bei Tageslicht keine Bilder entwickeln. Das geht nicht.«
    Emma hatte sich vom Wagen entfernt und starrte über die Kante der Rampe hinunter auf die Busse, die den Bahnhof ansteuerten und verließen. Leute hatten sich hier schon runtergestürzt, und eigentlich sollte die Außenrampe mit einem Netz abgezäunt werden, um das in Zukunft zu verhindern, aber man wurde sich nicht einig, wer die Kosten dafür tragen sollte. Von innen war die Rampe mit Graffiti beschmiert – nicht die schönen kunstvollen, die man auf den Bahnen in den Großstädten sah, sondern Herzen und Brüste und erigierte Penisse, die in die Luft spritzten.
    »Emma, komm her. Ich dachte, du hast es eilig?«
    Emma reagierte ein paar Sekunden lang nicht – als hätte sie ihn nicht gehört – , woraufhin er träge blinzelte und den Mund aufklappte, um sie ein zweites Mal zu rufen, als sie sich umdrehte und ihn anblickte, als wäre sie aus einem tiefen Schlaf erwacht.
    »Okay«, sagte sie und kehrte zum Wagen zurück – aber in ihrem eigenen Tempo, kein Gehen, kein Schlendern, sondern ein Schlurfen. Chloe trieb sie nicht an.
    Ich verstand nicht, warum Carl verlangte, dass sie so unwichtigen Krimskrams für ihn klauten. Er hatte einen Job – er konnte sich das Zeug doch sicher leisten? Außerdem hatte ich nicht gewusst, dass Emma in das Geheimnis eingeweiht war, dass Chloe einen Freund hatte – einen, der zu alt war für die Schule, zu alt für Chloe. Ich hatte strengste Anweisungen, niemandem was von ihm zu sagen. Wann hatte sie Emma eingeweiht?
    »Und was hast du, Lola?«, fragte Chloe.
    Ich zuckte mit den Schultern und zeigte ihr eine Handvoll Schoko-Eclairs, die ich aus der offenen Konfektauslage bei Woolworth gemopst hatte.
    »Möchtest du einen?« Meine Zähne und Finger waren bereits klebrig von der Schokolade. Es war ein tröstendes, ekliges Gefühl – meine Backenzähne hafteten zäh zusammen, wenn ich redete.
    »Nö.« Sie schüttelte den Kopf. »Das Zeug ist wirklich schlecht für die Haut, weißt du? Ich entgifte gerade, damit

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