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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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in die Feinheiten seines eigenen Dramas vertieft war, aber während ich den Blick durch den Raum schweifen ließ, sah ich, dass Lücken sich schlossen und unbesetzte Stühle verschwanden, als würden sie von den Wänden verschluckt.
    Ich sollte das Donald erzählen, dachte ich, weil er sich damit sicher auskannte: Herdentrieb, Masseninstinkt, Schulen mit winzigen Fischen, unbedeutend und genießbar als Individuen, aber furchterregend und überwältigend als riesiger zuckender Schwarm. Bei den Menschen ist das auch so, dachte ich, aber das wusste ich bereits.
    Shanks kam aus seinem Büro und fummelte hinten an seinem Hemdkragen herum. Es sah aus, dachte ich erschrocken und bevor ich mich bremsen konnte, als hätte er sein Hemd gerade erst angezogen. Die Vorstellung, dass er nackt vor einem Poster von Marc Bolan stand, vielleicht sogar malte, ließ meine Füße kribbeln. Ich schloss die Augen und wartete, dass das Gefühl vorüberging. Chloe würde das einen billigen Kick nennen. Shanks klatschte in die Hände, wie immer, und hockte sich auf die Ecke seines Tischs, legte den Fußknöchel auf das andere Knie und griff nach seiner Liste.
    »Freut mich, Miss Farley, dass Sie wieder genesen sind«, sagte er.
    »Danke, Sir«, erwiderte Chloe, und ihre Wangen färbten sich rot.
    Dann beugte er sich zu ihr herunter und redete leise mit ihr, während der übliche Klassenlärm um ihn herum rasch anschwoll, aber ich konnte trotzdem verstehen, was er sagte.
    »Ich möchte dich nachher sprechen, bitte. Nur kurz. Bring … « Er wedelte mit der Ecke des Klassenbuchs in Emmas Richtung, als würde er einen üblen Geruch vertreiben. »… Laura mit, wenn du willst.«
    Er klang nicht sauer, nur streng und ruhig und entschlossen, freundlich zu bleiben. Er würde seinen Seelsorgerton anschlagen, dachte ich, und sie zwingen, sich bei der Krankenschwester zu melden.
    In den ersten ein oder zwei Jahren an der Highschool wurde die Krankenschwester, die eigentlich Patsy hieß, »Edeltraut die Psycho-Braut« genannt, denn wenn man ein Pflaster brauchte oder einen Zug aus dem Inhalator, checkte sie immer heimlich auch noch deinen Kopf.
    In der neunten Klasse nannten die Mädchen sie »Dr. Damenbinde«, weil man zu ihr ins Büro gehen und sich eindecken konnte, wenn man nichts dabeihatte. Sie hatte eine Schublade, die bis zum Rand vollgestopft war mit Dr. White’s – die Sorte Damenbinden, die man in Krankenhäusern bekam und von denen man watscheln musste und die es nicht einmal im Ein-Pfund-Laden zu kaufen gab. Einmal bat jemand um einen Tampon und erhielt einen Vortrag über das toxische Schocksyndrom, den natürlichen Lauf und die Wichtigkeit des Jungfernhäutchens. Sich ihre Jungfernhäutchenrede anhören zu müssen, war eine dermaßen schreckliche Vorstellung, dass keine von uns das Risiko eingehen wollte – notfalls bastelte man sich was aus Toilettenpapier und einer gefalteten Brötchentüte, womit man sich behelfen konnte, bis die Schule aus war, und wir gaben diesen Tipp flüsternd untereinander weiter im Sportunterricht.
    Wenn die Klassen zehn und elf überhaupt von Patsy sprachen, dann mit ein bisschen mehr Respekt, weil es hieß, dass man von ihr kleine Papiertüten voller Kondome bekommen konnte oder dass sie zumindest wusste, wo man welche gratis kriegte, ohne dass Fragen gestellt wurden. Mag sein, dass es ein Gerücht war, aber wenn man zur Krankenschwester geschickt wurde oder dabei gesehen wurde, wie man aus ihrem Büro kam, konnte das für uns andere nur eins bedeuten. Und wir alle, nun, jedenfalls alle Jungs, waren besessen von Kondomen – ständig klebte eins oder zwei an einem Fenster, und der Vorrat an Wasserbomben war dermaßen unerschöpflich, dass das Gerücht über Patsy und ihre Papiertüten wahrscheinlich stimmte.
    Ich stellte mir Chloe in ihrem Büro vor und unter der zusammenklappbaren Krankenliege eine Schatzkiste voller Folienverpackungen, die wie Münzen glänzten.
    »Was machst du da hinten in der Ecke?«, fragte Shanks. Er sah mich an, während ich auf dem Waschbecken saß, und schüttelte den Kopf. »Du holst dir noch Hämorrhoiden – das Porzellan muss doch kalt sein.«
    Ich weiß, er meinte es nicht so. Die meisten Erwachsenen haben total vergessen, wie das in der Schule läuft. Das Wort »Hämorrhoiden« entfachte einen derart großen Gelächtersturm, dass Shanks mehrere Minuten brauchte, um die Klasse wieder unter Kontrolle zu kriegen.
    Er stand vor der Längswand – die, die mit Kursarbeiten von

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